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Macron scheitert an den Gelbwesten

Frankreichs Präsident muss ehrgeizige Pläne zurücknehmen - Lehren für andere

Macron scheitert an den Gelbwesten

Von Gesche Wüpper, ParisEr will sein Land zum Vorreiter für den Klimaschutz und die Hauptstadt zum Zentrum der grünen Finanzwirtschaft machen. Schon kurz nach seiner Wahl bot Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seinem amerikanischen Amtskollegen Donald Trump mit seinem Videoaufruf “Make our planet great again” die Stirn, als die USA am 1. Juni 2017 ihren Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen bekanntgaben. Doch dann machte ihm ein Teil der Bevölkerung einen Strich durch seine Umweltpolitik, als die sogenannten “Gilets Jaunes” mehrere Monate lang an den Wochenenden französische Innenstädte lahmlegten. Entzündet hatte sich ihr Zorn an den hohen Kraftstoffpreisen und den Plänen der Regierung, eine CO2-Abgabe auf Treibstoff weiter zu erhöhen.Die Steuer war bereits 2014 unter Ex-Präsident François Hollande eingeführt worden, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und den Klimawandel zu bekämpfen. Schon damals war vorgesehen, die Abgabe schrittweise zu erhöhen. Macrons damaliger Umweltminister Nicolas Hulot urteilte jedoch bei der Vorstellung seines Klimaplans im Juli 2017, dass dies nicht ausreiche, um das im Pariser Abkommen vereinbarte Ziel zu erreichen, die globale Erwärmung bis 2100 auf weniger als 2 Grad zu beschränken. Deshalb beschloss die Regierung, die geplante Erhöhung der CO2-Abgabe zu beschleunigen. So sollten die Steuern auf Diesel-Treibstoff im Januar 2019 eigentlich um 6,5 Cent je Liter steigen und die für Benzin um 2,9 Cent je Liter. Mit den Einnahmen wollte Macrons Regierung unter anderem Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung finanzieren. Angesichts der Proteste der Gelbwesten ließ sie die Pläne für eine Erhöhung der CO2-Steuer jedoch Ende 2018 fallen. Kontakt zur BevölkerungAus den Erfahrungen, die Frankreichs Staatsoberhaupt machen musste, können andere Länder mehrere Lehren ziehen. Die vielleicht wichtigste lautet, nicht den Kontakt zur normalen Bevölkerung zu verlieren und nicht zu unterschätzen, welche finanziellen Auswirkungen Umweltschutzsteuern haben können. Zwar handelt es sich bei den Gelbwesten nicht um eine einheitliche Bewegung. Doch ein Großteil von ihr entstammt der unteren Mittelschicht, die im Gegensatz zu den ärmsten Haushalten keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung hat. Oft verdient sie nicht viel mehr als den Mindestlohn SMIC, der sich zuletzt auf 1 171 Euro netto pro Monat belief. Für Arbeitnehmer mit lediglich etwas höheren Löhnen sind Mieten und Immobilienpreise in französischen Innenstädten jedoch zu hoch. Viele von ihnen sind deshalb in die günstigeren Vororte, wenn nicht gar ganz aufs Land gezogen. Dort jedoch sind sie auf ein Auto angewiesen. Denn in Frankreich sind in den vergangenen Jahrzehnten viele kleine Bahnhöfe geschlossen und Linien eingestellt worden. Gleichzeitig haben Kommunalpolitiker ein Einzelhandelssystem gefördert, das mit riesigen Einkaufszentren und Supermärkten vor den Toren der Städte auf Autofahrer zugeschnitten ist. Dagegen gibt es in vielen Dörfern keine Lebensmittelhändler und Bäcker mehr. Gleichzeitig wurde über Jahrzehnte hinweg Diesel-Treibstoff steuerlich stark begünstigt, so dass Frankreich zu einem Diesel-Land wurde.Macron hat unterschätzt, wie empfindlich die Erhöhung der CO2-Steuer die Gilets Jaunes treffen würde, wie abhängig von Autos ein großer Teil der Bevölkerung ist. Dass dies für viele Franzosen ein wunder Punkt ist, haben dagegen andere populistische Gruppierungen erkannt, die die Protestbewegung auf sozialen Netzwerken im Internet initiiert haben und ihre Aktionen koordinieren. Wer hinter den zahlreichen, oft auf Départementsebene organisierten Facebook-Seiten mit dem Wort “colère” (“Wut”) steckt, die zu den ersten Gelbwesten-Protesten aufgerufen haben, ist schwierig herauszufinden. Fest steht, dass es ihre Seiten oft schon vorher gab, sie zuvor gegen eine geplante Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen protestiert haben und sich ihnen schnell nationalistische und gar rechtsextreme Bewegungen angeschlossen haben.Wie leicht sich viele Bürger heute mit Hilfe von sozialen Netzwerken manipulieren und von populistischen Bewegungen einspannen lassen, ist eine zweite Lehre, die andere Länder aus der Gelbwesten-Protestbewegung ziehen sollten. Die Reaktionen auf Greta Thunberg zeigen, dass Umweltschutz ein Thema ist, das große Kontroversen auslösen kann. Deshalb ist es ein Thema, das antidemokratische Bewegungen leicht für sich nutzen können, um ohnehin enttäuschte Bürger gegen Regierungen aufzustacheln.