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Macron wandelt auf de Gaulles Spuren

wü - Noch nimmt die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone einen Großteil seiner Aufmerksamkeit in Anspruch, doch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beginnt bereits, sich über die Zeit danach...

Macron wandelt auf de Gaulles Spuren

wü – Noch nimmt die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone einen Großteil seiner Aufmerksamkeit in Anspruch, doch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beginnt bereits, sich über die Zeit danach Gedanken zu machen. Immerhin hat das Staatsoberhaupt versprochen, er werde “alle Konsequenzen” aus der Coronaviruskrise ziehen. Frankreich und Europa wieder unabhängig von anderen machen, so lautet eine seiner Schlussfolgerungen.Denn die Krise jetzt hat gezeigt, dass sich Frankreich etwa bei Schutzmasken, Desinfektionsmittel für die Hände, bei Medikamenten und Beatmungsgeräten zu stark auf die Produktion in anderen Ländern verlassen hat. Nachdem die H1N1-Epidemie vor einer Dekade weit weniger schlimm ausfiel als zunächst befürchtet, hatte das Land beschlossen, die Bestände an Schutzmasken nicht zu erneuern und sich stattdessen künftig im Krisenfall auf dem Weltmarkt einzudecken. Eine Fehlkalkulation, wie sich jetzt zeigt.Eines von Macrons Zielen lautet deshalb: Bis Ende des Jahres soll das Land in Bezug auf Schutzmasken nicht mehr auf Produzenten in anderen Teilen der Welt angewiesen sein. “Wir müssen unsere Unabhängigkeit wiederfinden”, betonte er diese Woche, als er den Maskenhersteller Kolmi-Hopen in Angers besuchte. Die wirtschaftliche und verteidigungspolitische Unabhängigkeit Frankreichs war auch eines der wichtigsten Ziele von General Charles de Gaulle.Überhaupt lässt sich der 42-Jährige seit Ausbruch der Coronaviruskrise häufig von dem früheren Staatschef inspirieren. So versuchte er mit seiner Fernsehansprache am 16. März an den in Frankreich unvergessenen Appell de Gaulles vom 18. Juni 1940 anzuknüpfen. “Wir befinden uns im Krieg”, wiederholte Macron dabei immer wieder und erinnerte dabei an seinen berühmten Vorgänger. Beim Besuch eines für Covid-19-Patienten im elsässischen Mülhausen errichteten Militärlazaretts inszenierte Macron sich erneut als Militärchef.Zumindest bei der Bevölkerung scheint das anzukommen. So ist das Ansehen Macrons und seines Premierministers Édouard Philippe seit Beginn der Coronavirus-Krise laut Umfragen stark gestiegen. Doch der Ruf Macrons nach einer “nationalen Einheit”, nach Geschlossenheit in dieser Krise, ist bisher ungehört verhallt. Statt gemeinsam gegen die Ausbreitung der Pandemie zu kämpfen, übt sich die Opposition wieder einmal in Kritik.Vor allem Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon von La France Insoumise und Marine Le Pen von dem inzwischen in Rassemblement National umbenannten Front National greifen Macron für sein Krisenmanagement an. Die Strategie der Regierung bestehe darin, zu versuchen, die Schwächen des Staates zu verstecken, sagte etwa Le Pen. Die neoliberale Regierung sei unfähig gewesen, den Beginn der Krise jetzt zu erkennen, ätzt Mélenchon. Macron reagierte allerdings nicht gelassen, sondern bezeichnete “diejenigen, die versuchen, jetzt schon einen Prozess zu machen” als “unverantwortlich”. Damit lieferte er Mélenchon nur neue Nahrung.