NOTIERT IN CARACAS

Maduro erlebt ein grünes Wunder

"Dieser Plan wird funktionieren!", hatte Nicolás Maduro Mitte August 2018 gesagt und eine gelbe Banknote in die TV-Kameras gehalten. Es war ein druckfrischer 500er, der auf der einen Seite ein Vöglein abbildet und auf der anderen Seite den Befreier...

Maduro erlebt ein grünes Wunder

“Dieser Plan wird funktionieren!”, hatte Nicolás Maduro Mitte August 2018 gesagt und eine gelbe Banknote in die TV-Kameras gehalten. Es war ein druckfrischer 500er, der auf der einen Seite ein Vöglein abbildet und auf der anderen Seite den Befreier Venezuelas, Simón Bolivar, dessen Nachname seit 1879 auch jener der Landeswährung ist.Nun, auch dieser Plan hat nicht funktioniert. Der “souveräne Bolivar”, der den vollkommen erschöpften “starken Bolivar” ersetzen und die verheerende Hyperinflation aufhalten sollte, schaffte es nicht mal bis in alle Landesteile. Weil das Land seit Jahren keine eigenen Banknoten mehr drucken kann, musste es die Noten im Ausland bestellen – und bezahlen. Doch weil dafür die Mittel fehlten, kamen viel zu wenig Scheine in den Umlauf eines Landes, das immer mehr davon brauchte, weil deren Wert täglich verfiel. Am ersten Ausgabetag der neuen Währung war ein US-Dollar etwa 60 Bolivares Soberanos wert. Am Montag dieser Woche lag der Wechselkurs bei 8 000 pro Dollar. Dazwischen liegen zehn Monate, zehn Tage und eine für jene wenigen Chavistas, die immer noch an den sozialistischen Sinn ihrer Revolution glauben mögen, bittere Einsicht: Die Kräfte des Marktes sind stärker als alle revolutionären Parolen. Und das einzig wahre Bare hat eine grüne Kehrseite.”Dolares, dolares”, ruft es heute aus vielen Kehlen auf der Plaza Chacaito im etwas vornehmeren Osten von Caracas. Auf den Speisekarten der Restaurants werden die Preise in Dollar angegeben, ebenso in den Lebensmittelgeschäften, die Importprodukte und auch nationale Mangelware wie Schokolade und Kaffee gegen US-Devisen feilbieten.Seit Ende des Vorjahres wird der freie Devisenhandel nicht mehr bekämpft. Seitdem der Comandante Hugo Chávez 2003 Währungskontrollen eingeführt hatte, angeblich um die Kapitalflucht aus dem Erdölland einzudämmen, konnten die Venezolaner nicht mehr ungehindert US-Devisen erwerben. Bürger und Unternehmen flüchteten auf einen Parallelmarkt, dessen Kurse täglich auf Webseiten veröffentlicht wurden, die jenseits der Landesgrenzen eingespeist wurden. Lange versuchte die Regierung, Seiten wie www.dolartoday.com zu blockieren, aber letztlich scheiterte das auch daran, dass eben in der tiefen Kluft zwischen offiziellem und parallelem Wechselkurs die lukrativste Quelle der Bereicherung sprudelte – für Politiker, Militärs und staatsnahe Importeure, die Devisen zum offiziellen Kurs kaufen und dann auf dem Schwarzmarkt wieder abstoßen konnten.Ausländischen Touristen lauerten Devisenhändler schon am Gepäckband des internationalen Flughafens in Maiquetía auf. Unter “expatriados” in Venezuelas Hauptstadt kursierten die Handynummern von zuverlässigen Devisenhändlern, die Besuchern Bolivares ins Hotel brachten, schon vor zehn Jahren gab es Bündel gegen einzelne US-Scheine. In der bolivarischen Revolution war die Geldentwertung ebenso omnipräsent wie die roten T-Shirts.Das hat sich auch nicht mal dann geändert, als die Scheine verschwanden. Paypal und Zelle sind Alltagsapps in einem Land, das einen Gutteil seiner Einkünfte von den mehr als vier Millionen ausgewanderten Landsleuten bezieht. Während die Preise explodierten, ersetzen Kreditkarten und Handys die Barschaft, die heute nur noch in öffentlichen Bussen unerlässlich ist und an Tankstellen, nachdem der Plan scheiterte, den Treibstoff nur noch an botmäßige Bürger abzugeben.Letztlich war es das totale Versagen des Energiesystems, das im März Handys, Bankautomaten sowie komplette Rechensysteme mehr als eine Woche lang lahmlegte. Wer da noch irgendwie an Essbares kommen wollte, musste die eisernen Reserven angehen. Und diese bestehen aus US-Dollar.Seither ist der Dollar nun überall Zahlungsmittel, was gefährliche Auswirkungen haben könnte. Denn nun stiegen die Preise auch in Dollars. Der Treibstoffmangel infolge der US-Sanktionen erschwert den Warentransport, und korrupte Kontrolleure verlangen jetzt Cash in Grün. Und weil die Remisen ihrer Kinder nicht mehr ausreichen, zehren viele Familien ihre Notgroschen auf. Solange Maduro regiert, ist auch der Dollar keine Rettung.