PERSONEN

Mauricio Macri 60

Von Andreas Fink, Buenos Aires Börsen-Zeitung, 7.2.2019 Wenn Mauricio Macri am Freitagmorgen in den Spiegel schaut, wird er einen Mann erblicken, dem man seinen 60. Geburtstag deutlich ansieht. Als er vor gut drei Jahren die Regierung Argentiniens...

Mauricio Macri 60

Von Andreas Fink, Buenos AiresWenn Mauricio Macri am Freitagmorgen in den Spiegel schaut, wird er einen Mann erblicken, dem man seinen 60. Geburtstag deutlich ansieht. Als er vor gut drei Jahren die Regierung Argentiniens übernahm, wirkte er jung für einen Mann von 56. Als Bürgermeister von Buenos Aires hatte er Zeit zum Fußballspielen gefunden, für Golf und fernöstliche Meditation. Zu Anfang überraschte er mit seinem Anspruch auf regelmäßige Auszeiten und dem Bekenntnis zum “besten Team der letzten 50 Jahre”, das die Geschäfte auch souverän führen könne, ohne dass seine Person permanent vonnöten sei.Das war ein Irrtum. Und es war nur eine unter einer erstaunlichen Anzahl von Fehleinschätzungen des Markt-Mannes Macri, der nun, acht Monate vor der Präsidentenwahl, ein Land führt, dessen Bruttoinlandsprodukt niedriger ist als vor seinem Amtsantritt, dessen Währung im Vorjahr die Hälfte ihres Wertes verlor, dessen Leitzins immer noch bei mehr als 50 % und dessen Industrieproduktion um 8 % unter dem schon mauen Vorjahresniveau liegt. Ein Land, in dem die Arbeitslosigkeit zunimmt und dessen Inflationsrate im Vorjahr mit 48 % so hoch war wie seit der Hyperinflation Ende der 1980er Jahre nicht. Eine Republik, deren Einwohner wie auch viele Kleinbetriebe heute für Gas und Strom bis zu 30-mal mehr zahlen müssen als in den Zeiten des Präsidentenpaares Kirchner.Bei seinem Amtsantritt bat Macri, man möge ihn an der Entwicklung der Armutsquote bewerten. Nun, diese liegt heute höher als vor drei Jahren. Auch an seinen eigenen Maßstäben gemessen hat Macri also deutlich versagt.Dennoch steigen seit dem Jahresanfang Macris Chancen auf eine Wiederwahl im Oktober. Denn seine Gegner aus dem Lager der Peronisten sind gespalten. Deren stärkste Figur ist die Ex-Präsidentin Cristina Kirchner, die etwa ein Drittel der Bevölkerung wiederwählen würde. Aber die anderen zwei Drittel wollen das nicht zulassen. So könnte es dazu kommen, dass viele jener, die heute auf Macri schimpfen, ihn letztlich wieder wählen.So sehen das offenbar auch die Finanzmärkte. Die Abwertungsspirale, die das Land zwischen April und September gebeutelt hatte, ist gestoppt, seit drei Monaten ist der Peso stabil. Er liegt inzwischen am unteren Rand der im September festgelegten Floating-Zone. Zuletzt kaufte die Zentralbank wieder Dollars und konnte so die Reserven leicht erhöhen. Die Aktienkurse legten zuletzt deutlich zu. Mehrere Bankenpapiere stiegen gar um 30 %.Und das Länderrisiko, also der Gefahren-Zinsaufschlag auf argentinische Staatsanleihen, sank von 817 Punkten Ende Dezember auf 654 Punkte zu Ende der Vorwoche.Die Finanzmärkte begrüßen, dass nun der Internationale Währungsfonds (IWF) de facto alle wichtigen Entscheidungen in Argentinien fällt. 57 Mrd. Dollar will der Fonds bis Ende 2020 den Argentiniern vorschießen, das ist der höchste jemals zugestandene Kredit. Darum stehen Macri und sein Wirtschaftsminister Nicolás Dujovne unter steter Beobachtung von IWF-Chefin Christine Lagarde und den Spezialisten des Fonds. Ein Großteil der 57 Mrd. Dollar steht Macri bis zum Ende seiner Legislatur zur Verfügung, was ihm und auch den Anlegern Planungssicherheit zumindest für dieses Jahr gibt. Die große Frage ist freilich: Was kommt dann?Nach den kräftigen Kreditaufnahmen in Macris ersten Amtsjahren und der IWF-Nothilfe 2018 ist die Gesamtverschuldung Argentiniens auf 95 % des Bruttoinlandsproduktes gestiegen, errechnete der liberale Ökonom Diego Giacomini – eine Belastung, die selbst für Industrieländer der ersten Welt schwer zu tragen wäre. Doch Argentiniens Industrie ist zu mies und zu teuer für den Export. Darum muss das Land von Rohstoffexporten leben – wie vor 100 Jahren.Macri weiß: Wenn sein Land eine Zukunft haben will, dann muss es die öffentlichen Ausgaben drastisch reduzieren. Aber das kann nur gelingen, wenn alle politischen Lager mitziehen. Die politische Kultur des Peronismus gibt keinen Anlass, auf Einsehen zu hoffen. Wenn Macri am Freitagmorgen den Spiegel schaut, sollte er also gut überlegen, ob er sich eine zweite Amtszeit wirklich antun will.