May nimmt letzte Ausfahrt

Britische Premierministerin tritt auf Druck der Parteibasis zurück - Boris Johnson Favorit für Nachfolge

May nimmt letzte Ausfahrt

Die britische Premierministerin Theresa May hat die letzte Möglichkeit genutzt, den Zeitpunkt ihres Rücktritts selbst zu bestimmen. Der Druck der Parteibasis war so stark, dass sie ankündigte, ihr Amt am 7. Juni niederzulegen. Als Favorit für ihre Nachfolge gilt der ehemalige Außenminister Boris Johnson.hip London – Die britische Premierministerin Theresa May wird ihr Amt als Chefin der Konservativen Partei am 7. Juni niederlegen, es aber noch so lange kommissarisch ausüben, bis ein Nachfolger gewählt ist. Damit geht auch ihre Zeit als Premierministerin zu Ende, denn das Amt fällt in Großbritannien traditionell dem Chef der Regierungspartei zu. “Dass ich es nicht vermocht habe, den Brexit umzusetzen, erfüllt mich mit großem Bedauern und wird es immer tun”, sagte May am Freitag vor ihrem Amtssitz in der Downing Street. Sie habe alles ihr Mögliche getan, um die Abgeordneten dazu zu bewegen, den EU-Austrittsvertrag abzusegnen, der von der Verwaltung in ihrem Namen mit Brüssel ausgehandelt worden war. Am Ende der kurzen Ansprache, in der sie versuchte, ihre politische Hinterlassenschaft im besten Licht erscheinen zu lassen, standen Tränen. Für “die zweite weibliche Premierministerin, aber sicher nicht die letzte” (May), war es die letzte Chance, den Termin für ihren Abgang gesichtswahrend selbst festzulegen.Dreimal hatte das Unterhaus ihren Deal mit Brüssel niedergestimmt. Nachdem sie der Opposition die Option auf ein weiteres EU-Referendum anbot, verlor sie auch bei den Konservativen, die bislang jede ihrer Kehrtwenden mitgemacht hatten, den Rückhalt. May drohte im Falle eines weiteren parteiinternen Misstrauensvotums die Abwahl. Zudem stehen die Ergebnisse der Wahl zum EU-Parlament zur Veröffentlichung an, bei der die Tories Umfragen zufolge selbst von den Liberaldemokraten überrundet wurden, während Nigel Farages neues Vehikel The Brexit Party den Sieg davontrug. Es tue ihm sehr leid für Theresa May, sagte ihr Amtsvorgänger David Cameron. Sie sei eine “hingebungsvolle Staatsdienerin”. Oppositionsführer Jeremy Corbyn forderte Neuwahlen.Mays Rücktrittsdatum ist so gewählt, dass die erwartete Niederlage der Tories bei der Nachwahl in Peterborough, die der Brexit Party ihr erstes Unterhausmandat bescheren dürfte, noch in ihre Amtszeit fällt. Auch der umstrittene Staatsbesuch von US-Präsident Donald Trump findet noch vor ihrem Abgang statt. Bis Ende Juli dürfte ein Nachfolger gewählt worden sein. Graham Brady, der Vorsitzende des 1922 Committee der Partei, das die Wahl ihres Nachfolgers organisiert, trat am Freitag ebenfalls zurück, um einen fairen und transparenten Prozess zu gewährleisten, wie er sagte. Spitzenkandidat der BookiesEine Woche nach Mays Rücktritt soll das Rennen um die Parteiführung offiziell beginnen. Tatsächlich haben bereits zahlreiche Bewerber Interesse angemeldet. Bei den Buchmachern gilt der ehemalige Außenminister Boris Johnson als aussichtsreichster Kandidat, gefolgt vom ehemaligen Brexit-Staatssekretär Dominic Raab. Johnson ist zwar Brexiteer, gilt aber als im Grunde sozialliberal und zuwanderungsfreundlich. Raab hat sich dagegen als knallharter Thatcherist einen Namen gemacht. Es folgen mit großem Abstand Umweltminister Michael Gove, Außenminister Jeremy Hunt, der am Freitagnachmittag seinen Hut in den Ring warf, und Andrea Leadsom, die am Mittwochabend von ihrem Kabinettsposten zurückgetreten war.”Die Mischung aus der fehlenden Bereitschaft der EU zu Neuverhandlungen, dem mangelnden Appetit des Parlaments auf einen harten Brexit und einem möglicherweise härteren Standpunkt des neuen Premierministers in Sachen Brexit deuten auf weiteren politischen Aufruhr hin”, sagte Janet Mui, Global Economist bei Cazenove Capital. Es sei schwer vorstellbar, wie bis zum 31. Oktober ein Kompromiss gefunden werden könne. Am Ende könnten Neuwahlen oder ein erneutes Referendum nötig werden, um den Stillstand aufzubrechen.Die Fürsprecher eines weiteren EU-Referendums waren unterdessen bemüht, den sich abzeichnenden Erdrutschsieg der Brexit Party bei den Europawahlen kleinzureden. “Diese Wahl war keine Volksabstimmung über den Brexit”, schrieb Naomi Smith, die Übergangschefin der unter anderem von George Soros finanzierten Anti-Brexit-Initiative Best for Britain, ihren Anhängern. “Wenn das Ergebnis überhaupt irgend etwas zeigen wird, dann dass die Wähler sowohl von Theresa Mays Deal als auch von Jeremy Corbyns unklarer Position zum Brexit abgestoßen wurden.” Man werde weiterkämpfen, egal wer in 10 Downing Street sitze.