NOTIERT IN BERLIN

Mehr als ein Klimastreit

Lang ist um das Pariser Klimaschutzabkommen gerungen worden. Manche hatten Tränen der Freude in den Augen, als sich die Weltgemeinschaft im Dezember 2015 darauf verständigte, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter zwei...

Mehr als ein Klimastreit

Lang ist um das Pariser Klimaschutzabkommen gerungen worden. Manche hatten Tränen der Freude in den Augen, als sich die Weltgemeinschaft im Dezember 2015 darauf verständigte, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter zwei Grad, gemessen am vorindustriellen Zeitalter, zu begrenzen. Zahlreiche Länder haben inzwischen Klimapläne, um den schädlichen Ausstoß von Kohlendioxid zu begrenzen. Nun macht der neue US-Präsident Donald Trump Ernst und steigt aus diesem Abkommen aus.Der Fassungslosigkeit im Rest der Welt folgte schnell organisierter Widerstand: “Jetzt erst recht!” lautete die Reaktion aus Europa. Bundeskanzlerin Angela Merkel zauberte kurz nach der Bekanntgabe ein gemeinsames Papier mit Frankreichs Staatspräsiden Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni aus der Tasche. Im Ton ist es moderat, die Botschaft ist eindeutig. Mit “Bedauern” nehmen sie die Entscheidung der USA zur Kenntnis. Aber auch: Das Pariser Abkommen könne nicht neu verhandelt werden. Zudem ist in der Erklärung die Mahnung enthalten, sich an Verpflichtungen zu halten. Das betrifft nicht nur die Umsetzung der Klimaziele, sondern auch Finanzierungszusagen.In Deutschland sammelte sich auch schnell breite Unterstützung für die Haltung der Staats- und Regierungschefs. Der Industrieverband BDI sprach von einem “schweren Rückschlag”, die Chemische Industrie von einer “schlechten Entscheidung” Trumps. Die kommunale Wirtschaft bekannte sich zum Klimaschutz. Selbst die amerikanische Handelskammer AmCham distanzierte sich vom US-Präsidenten und forderte zum gemeinsamen globalen Handeln im Klimaschutz auf. Zudem bildeten sich seltene Allianzen: Der Gewerkschaftsbund DGB bezeichnete die Entscheidung als “falsch und kurzsichtig”. Die SPD hielt es für nötig, eine Sondererklärung der sieben sozialdemokratischen Minister und Ministerinnen in der Bundesregierung zur Ankündigung Trumps abzugeben. Das ist ungewöhnlich, hatte sich doch die Bundesregierung mit Merkel bereits positioniert.Für den Klimaschutz ist die Entscheidung Trumps sogar ein Pluspunkt. Selbst diejenigen, die sich nur halbherzig dazu bekannt haben, versammeln sich nun umso geschlossener hinter dem Anliegen. Denn es geht inzwischen um mehr als nur um das Klima. Es geht um die Zuverlässigkeit internationaler Vereinbarungen und einer gemeinsamen Weltordnung, wie sie etwa bislang mit dem Bekenntnis zum Freihandel bestanden hat. Die Staatengemeinschaft muss entscheiden, ob sie an Regeln festhält – der neuen Sprunghaftigkeit der USA zum Trotz. Für den Vorsitz Deutschlands in der G 20, der Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer, wird es schwer. Auch wenn die erklärte Unterstützung aus vielen dieser Länder für das Klimaabkommen da ist, der Gipfel der Staats- und Regierungschefs Anfang Juli in Hamburg droht im Streit über Klima und Freihandel zu versinken, ohne andere Themen voranzubringen. Die Rolle der G 20 als Koordinator einer guten Weltordnung ist ohne die USA in Gefahr.