ANSICHTSSACHE

Mehr Effizienz in der Klimapolitik

Börsen-Zeitung, 24.1.2020 Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in ihrer Neujahrsansprache deutlich positioniert: "Deshalb setze ich all meine Kraft dafür ein, dass Deutschland seinen Beitrag leistet - ökologisch, ökonomisch, sozial - den...

Mehr Effizienz in der Klimapolitik

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in ihrer Neujahrsansprache deutlich positioniert: “Deshalb setze ich all meine Kraft dafür ein, dass Deutschland seinen Beitrag leistet – ökologisch, ökonomisch, sozial – den Klimawandel in den Griff zu bekommen.”Klimapolitik gewinnt in Deutschland immer mehr an Gewicht. Das Bundeskabinett hat im August 2019 das Strukturstärkungsgesetz für die Kohleregionen und im Oktober 2019 das Klimaschutzprogramm verabschiedet. Auch der Fahrplan für den Kohleausstieg wurde derweil zwischen Bund und Ländern vereinbart. Im Klimapaket ist die Einführung der Bepreisung von CO2 auch in den Sektoren Verkehr und Wärme über einen nationalen CO2-Emissionshandel vorgesehen. So sollen ab 2021 beim Verbrauch von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas zunächst 25 Euro pro emittierte Tonne CO2 anfallen. Im Emissionszertifikatehandel sind die maximalen Emissionen gemäß den Vorgaben der Klimaziele gedeckelt. CO2-Bepreisung sinnvollEine deutliche Bepreisung von klimaschädlichen Emissionen ist sinnvoll, um die Verhaltensänderungen bei Unternehmen, öffentlicher Hand, und Privathaushalten herbeizuführen, die zur Reduktion des Ausstoßes führen. So sind im Jahr 2019 die CO2-Emissionen in Deutschland um 7 % im Vergleich zu 2018 zurückgegangen. Als Grund hierfür werden die hohen CO2-Zertifikatepreise im Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) gesehen, die die Kohle bei der Stromerzeugung wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit zugunsten von Gaskraftwerken aus dem Markt gedrängt haben.In ihrer Neujahrsansprache führte Kanzlerin Merkel weiter aus: “Also müssen wir auch alles Menschenmögliche unternehmen, um diese Menschheitsherausforderung zu bewältigen.” Nun scheint “alles Menschenmögliche” doch sehr umfassend zu sein. Es ist aber richtig, dass – auch finanziell – große Anstrengungen unternommen werden müssen. Deshalb sollte konsequent darauf geachtet werden, dass bei den Maßnahmen für den Klimaschutz teure Ineffizienzen vermieden und auch bereits bestehende ineffektive Maßnahmen nicht länger verfolgt werden.So ist nicht nachzuvollziehen, warum das Klimapaket eine Mehrwertsteuerreduktion für Bahnfahrten im Fernverkehr vorsieht. Die Bahn fährt weitestgehend mit Strom, dessen Erzeugung, insofern er aus Kohle- oder Gaskraftwerken kommt, dem EU-ETS unterliegt. Die Wettbewerber der Bahn – innerdeutsche und innereuropäische Flüge sowie Reisebusse und Pkw – sind auch, jeder auf eigene Weise, mit CO2-Kosten belastet. Innereuropäische Flüge sind bereits Teil des EU-ETS. Reisebusse und Pkw, soweit sie mit Diesel oder Benzin fahren, müssen die neue CO2-Abgabe ab 2021 zahlen und sind zukünftig in den nationalen Emissionshandel eingebunden.Die Bevorzugung der Bahn durch die Mehrwertsteuerreduktion zu Lasten der anderen Mobilitätsformen lässt sich deshalb nicht mehr mit dem Argument des Klimaschutzes begründen. Stattdessen ist die direkte Förderung des Trassenausbaus für eine bessere Bahninfrastruktur der sinnvollere Weg. Denn bei hohen CO2-Preisen ist zu erwarten, dass sich mehr Verkehr auf die Schiene verlagern wird.Eine bereits bestehende, mit Blick auf den CO2-Ausstoß ineffektive Maßnahme ist die Förderung der erneuerbaren Energien, die beendet werden sollte. 2018 beliefen sich die direkten Vergütungszahlungen an die Betreiber von erneuerbaren Energien auf einen Rekordwert von etwa 32 Mrd. Euro. Die europäische Stromerzeugung unterliegt allerdings dem EU-ETS. Zusätzliche Stromproduktion durch erneuerbare Energien in einem Land führt dazu, dass dieses Land weniger Zertifikate für die Stromerzeugung benötigt. Da aber die Gesamtmenge der Zertifikate festgelegt ist, folgt daraus, dass mehr Zertifikate an anderer Stelle verbraucht werden, und somit in anderen Sektoren oder anderswo in Europa mehr CO2 emittiert wird. Eine klimapolitische Begründung der Förderung von erneuerbaren Energien entfällt daher. Das bedeutet aber nicht, dass ein weiterer Ausbau von erneuerbaren Energien nicht sinnvoll ist. Im Gegenteil: Es ist zu erwarten, dass sich mit dem weiteren Anstieg der CO2-Preise die erneuerbaren Energien im Markt auch ohne Förderung behaupten können. Statt erneuerbare Energien finanziell zu fördern, sollte sich die öffentliche Hand darauf konzentrieren, die Rahmenbedingungen für den Ausbau von Windkraftwerken und Stromnetzen so anzupassen, dass Investitionen einfacher möglich werden.Es sind insbesondere die vielen “kleinen” Maßnahmen, deren Beitrag zum Klimaschutz vor dem Hintergrund des EU-ETS und der CO2-Bepreisung zweifelhaft sind. Zum Jahreswechsel wurde mit großem Elan die Diskussion über eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 130 auf den deutschen Autobahnen geführt. Eine solche Maßnahme ließe sich vielleicht durch die Reduktion der Unfallrisiken begründen – als Klimaschutzmaßnahme taugt sie nicht. Diesel, Benzin sowie der Strom für Elektroautos unterliegen entweder dem EU-ETS oder zukünftig dem nationalen CO2-Preis und nationalen Emissionshandel. Die dadurch induzierte Bepreisung von CO2 bewirkt Verhaltensänderungen. Wer dann immer noch mit Tempo 180 oder einen SUV fahren will, soll dies machen und dafür bezahlen – vielleicht durch Verzicht auf den Flug nach Spanien. Freiheit des EinzelnenDie Freiheit, zu entscheiden, auf welche klimaschädlichen Maßnahmen verzichtet wird, liegt in einer Marktwirtschaft beim Einzelnen. Die Preise und der Emissionszertifikatehandel sorgen dafür, dass diese Entscheidungen im Kollektiv zu einer Reduktion von Emissionen in ausreichendem Maße führen.Prof. Achim Wambach ist Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Vorsitzender der Monopolkommission.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——-Von Achim WambachDie Bevorzugung der Bahn im Klimapaket der Bundesregierung ist nicht nachzuvollziehen. Und die Förderung erneuerbarer Energie gehört beendet. ——