Mehr Steuern – aber für wen?
wf Berlin
Noch bevor das Geld aus der Weltsteuerreform überhaupt fließt, zerbrechen sich schon viele den Kopf über die Verteilung der Mittel. Ein zusätzliches Aufkommen von rund 150 Mrd. Dollar weltweit erwartet die Industrieländerorganisation OECD aus der Einführung der globalen Mindestbesteuerung. Dies trifft vor allem multinationale Konzerne, die bisher Gewinne über Grenzen hinweg in Niedrigsteuerländer und Steueroasen optimierend verschoben haben. Rund 125 Mrd. Dollar werden laut OECD durch die neuen Besteuerungsrechte zwischen Sitz und Marktländern anders verteilt.
Deutschland hatte lang die Befürchtung, als starkes Exportland bei der Neuverteilung vom Besteuerungsrechten Steuersubstrat zu verlieren. Die Absatzländer werden hingegen begünstigt, so der Plan. Das Bundesfinanzministerium hatte Expertise eingeholt und die Wirkung der geplanten Regelungen hierzulande berechnen lassen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf eine unveröffentlichte Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes Ifo dazu von 5 bis 6 Mrd. Euro Mehreinnahmen im Jahr. Dies soll nicht nur aus der Mindeststeuer stammen, sondern auch aus der Neuverteilung.
„Das bedeutet ja, dass wir Mehreinnahmen haben ohne Steuererhöhungen“, frohlockte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der sich anschickt, eine neue Regierung unter seiner Führung als Kanzler zu bilden, in der die FDP Steuererhöhungen strikt ablehnt. Das Geld ist knapp, der Bedarf groß. Manch einer denkt, dies könnte die Koalitionsverhandlungen entspannen, ohne zu berücksichtigen, dass der Bund nicht allein profitiert. Die Körperschaftsteuer, die aus der Mindeststeuer resultiert, steht Bund und Ländern gemeinsam zu. Wer die neuen Besteuerungsrechte aus der globalen Umverteilung bekommt, muss gesetzlich erst normiert werden. Die Bundesländer werden dabei nicht nur zuschauen.
Problem in Europa
Auch für Europa ergeben sich Folgen. Der Teil der gemeinsam zu schulternden Rückzahlungen der Schulden für den „Next Generation Fund“ soll sich aus mehreren Quellen speisen: aus einer Finanztransaktionssteuer, einer Klima-Grenzausgleichsabgabe und einer Digitalsteuer. Alle haben gemeinsam, dass es sie bislang nicht gibt. Nur die Plastiksteuer mit vernachlässigbarem Aufkommen ist Realität.
Die EU-Kommission hofft schon seit langem auf eigene Steuerquellen. Durch die Vereinbarung der globalen Neuverteilung von Besteuerungsrechten wird die Hoffnung aber gedämpft. Die Regelung ist damit verbunden, den Wildwuchs bei der Einführung nationaler Digitalsteuern aller Art zu beseitigen. Inkludiert wird in den völkerrechtlichen Vertrag die Verpflichtung zum Verzicht. Vielen Ländern fällt das politisch schwer – etwa Kanada, das nahe an einer Einführung ist. Finanzministerin Chrystia Freeland hatte sich beim G20-Treffen in Washington demonstrativ hinter den Kompromiss gestellt. Schwer vorstellbar ist, dass Europa eine Digitalsteuer einführt, wenn 136 Länder auf nationale Digitalsteuern verzichten.