Merkel erinnert Griechen an Zusagen

Unklare Situation in Athen sorgt für Verunsicherung - Diplomaten verweisen auf Toleranzgrenze des IWF

Merkel erinnert Griechen an Zusagen

Griechenland versetzt einmal mehr die gesamte Eurozone in Besorgnis. Da die beiden großen Parteien im Parlament keine Mehrheit mehr haben, ist ungewiss, ob das Land die Bedingungen erfüllt, um weitere Auszahlungen aus dem Hilfsprogramm von EU und Internationalem Währungsfonds zu erhalten. Die Angst vor einer Pleite in Hellas steigt daher wieder.fed Brüssel – Die Reaktionen auf die Wahlen in Griechenland ließen gestern nicht lange auf sich warten. Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnerte die Griechen an ihre Zusagen als Gegenleistung für das milliardenschwere Hilfspaket und forderte alle Parteien, die künftig das Land regieren, auf, sich daran zu halten. Es sei “von allergrößter Wichtigkeit”, dass die Vereinbarungen erfüllt werden. Der eingeschlagene Weg sei zwar beschwerlich, müsse aber weitergegangen werden. Zugleich räumte die Kanzlerin ein, dass das Wahlergebnis “nicht unkompliziert” sei.Die beiden bislang dominierenden Parteien, die konservative Nea Demokratia und die sozialistische Pasok, bringen es mittlerweile nicht einmal zusammen auf die Mehrheit – und das, obwohl das griechische Wahlrecht einen Bonus an Sitzen für die größte Partei, in diesem Fall also die ND, vorsieht. Pasok und ND ohne MehrheitNach dem endgültigen Ergebnis erlangte das Duo 149 der 300 Sitze – also mindestens zwei zu wenig, um in einem Zweierbündnis zu regieren. Der Chef der Konservativen, Antonis Samaras, hatte eigentlich drei Tage lang Zeit, um eine stabile Koalition zu bilden. Aber selbst die kleine Demokratische Linke hatte bereits erklärt, sie wolle nicht mit ND und Pasok paktieren, wenn damit die Anerkennung der Sparbeschlüsse notwendig sei. Noch am Montag hat Samaras deswegen das Mandat zurück gegeben. Nun kommt die zweitstärkste Fraktion an die Reihe, die Linkssozialisten, die den Abmachungen mit Brüssel ablehnend gegenüberstehen. Gelingt es auch ihnen nicht, eine Koalitionsregierung zu schmieden, rücken Neuwahlen in den Blick.In Brüssel unterstrichen Sprecher der EU-Kommission, dass die EU-Behörde gar nicht erst öffentlich darüber spekulieren wolle, welche Verwerfungen zu befürchten seien, falls sich Griechenland von seinen Zusagen abkehrt. “Wir stehen bereit, das Land weiter zu unterstützen”, sagte eine EU-Sprecherin, hob aber gleichzeitig hervor, dass dies nur “im Rahmen des zweiten Anpassungsprogramms” denkbar sei. Die EU-Behörde “erwartet”, dass die künftige Regierung die Verabredungen ihrer Vorgänger einhalten werde. Einzelne Korrekturen denkbarDiplomaten unterstrichen, dass jede Regierung in Griechenland selbstverständlich das Recht habe, einzelne Korrekturen vorzunehmen – zum Beispiel die Steuer auf Sportwetten zu erhöhen, um im Gegenzug Kürzungen an anderer Stelle aufzuheben. Allerdings müsse letztlich der gleiche Spareffekt erzielt werden. Der Internationale Währungsfonds werde sonst androhen, das Paket nicht weiter mitzufinanzieren. Die Toleranzschwelle des IWF solle nicht überschätzt werden, mahnen Diplomaten.Gestern gingen bereits Spekulationen um, dem Land könne schon Ende Juni das Geld ausgehen. Allerdings haben sich solche Voraussagen in der Vergangenheit mehrfach als falsch erwiesen. Denn im Notfall konnte Athen oft länger als erwartet akute Liquiditätskrisen verhindern oder zumindest verzögern.—– Personen Seite 16 ——Der politische Fahrplan in Athen- Griechenland muss bis Mitte Mai eine handlungsfähige Regierung haben. Spätestens Anfang Juni kommt wieder die Geldgeber-Troika nach Athen, um über weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft zu sprechen. Zudem braucht Athen dringend wieder neues Geld – bis Ende Juni sollen es 30 Mrd. Euro sein. Davon sind 7 Mrd. für Renten und Löhne im staatlichen Bereich und 23 Mrd. Euro für die Stabilisierung des Bankenbereichs nach dem Schuldenschnitt bestimmt. Finden die Kontrolleure keine handlungsfähige Regierung vor, könnten sie den Geldhahn zudrehen und Griechenland wäre Ende Juni pleite.Das Verfahren zur Bildung einer Koalitionsregierung ist genau definiert im Artikel 37 der griechischen Verfassung:- Zunächst musste Staatspräsident Karolos Papoulias den Chef der stärksten Partei Nea Dimokratia (ND), Antonis Samaras, mit Sondierungen beauftragen. Die konservative Nea Dimokratia bekam knapp 18,9 % und 108 Abgeordnete. Das Mandat gilt für drei Tage.- Das ist inzwischen gescheitert. Samaras hat das Mandat schon zurückgegeben. Nun erhält der Chef des Bündnisses der Radikalen Linken (Syriza), Alexis Tsipras, das dreitägige Mandat. Die Partei wurde erstmals in ihrer Geschichte zweitstärkste Kraft – mit 16,8 % und 52 Abgeordneten.- Sollte auch dieser Versuch scheitern, bekommen die Sozialisten als drittstärkste Partei das Mandat für drei Tage. Sie bekamen 13,2 % und 41 Abgeordnete.- Konservative und Sozialisten sind bereit zu koalieren. Sie haben aber nicht die nötige Mehrheit von 151 Abgeordneten im 300-köpfigen Parlament. Sie sind damit auf die Kooperation rechtspopulistischer und linker Parteien angewiesen.- Das Bündnis der Radikalen Linken scheint nicht bereit zu sein, mit den zwei Traditionsparteien zusammenzuarbeiten. Dies lehnen bislang auch die rechtsorientierten Populisten der Partei der Unabhängigen Griechen (33 Abgeordnete) sowie die kleinere Partei der Demokratischen Linken (19) ab. An eine Kooperation mit den erstmals ins Parlament gewählten Faschisten (21) oder den Kommunisten (26) denkt niemand.- Wenn alle diese Sondierungen und ein letztes Gespräch der Parteivorsitzenden beim Präsidenten scheitern, wird das eben erst gewählte Parlament aufgelöst, und es wird binnen 30 Tagen eine Neuwahl angesetzt. Das Land würde so lange von einer Übergangsregierung – voraussichtlich unter Leitung des Präsidenten eines der höchsten griechischen Gerichtshöfe geführt. dpa-afx——