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Merkel setzt neuen Akzent bei EZB

Weidmanns Kandidatur wackelt - Kanzlerin zieht Deutschen als EU-Kommissionspräsident in Erwägung

Merkel setzt neuen Akzent bei EZB

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ändert womöglich ihre Pläne, Bundesbankpräsident Jens Weidmann 2019 als EZB-Präsidenten ins Rennen zu schicken. Sie hat auch Interesse an der Besetzung des EU-Kommissionspräsidenten mit einem Deutschen. Merkel selbst erklärte die Sache für unentschieden. Von Angela Wefers, Berlin Die Kehrtwende kommt überraschend. Noch im Frühjahr hatte die Bundesregierung den Boden bereitet, um die Chancen für die erfolgreiche Kandidatur eines Deutschen für den Präsidentenposten der Europäischen Zentralbank (EZB) zu erhöhen. Sie unterstützte den früheren spanischen Wirtschafts- und Finanzminister Luis de Guindos. Der Südeuropäer ist nun einer der EZB-Vizepräsidenten. Dies macht die Wahl eines Nordeuropäers an die Spitze wahrscheinlicher. Hinter verschlossenen Türen wurde dieses Kalkül durchaus offengelegt. Nun setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wohl neue Prioritäten. Sie hat mehr Interesse am Posten des EU-Kommissionspräsidenten als am EZB-Präsidenten, berichtet das “Handelsblatt” und beruft sich auf ein vertrauliches Gespräch zwischen Merkel und Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Dass Deutschland für beide Posten Landsleute durchbringt, gilt als unwahrscheinlich. Merkel hält sich nach eigenen Angaben alle Möglichkeiten offen. “Ich kann keinerlei Wünsche bestätigten, die ich habe. Sondern wir werden die Entwicklung abwarten und dann schauen, wie sich die deutsche Position entwickelt”, sagte sie laut Reuters in Tiflis. Dabei galt es als quasi ausgemacht, dass Berlin Weidmann als Nachfolger von Amtsinhaber Mario Draghi für die EZB-Spitze ins Rennen schicken wird. Draghis Amtszeit läuft Ende Oktober 2019 aus. Der verpatzte Versuch Berlins, 2011 den damaligen Bundesbankpräsident, Axel Weber, als EZB-Präsidenten durchzubringen, sollte sich nicht wiederholen. Die Kanzlerin hatte Weber so lange hingehalten, bis dieser absprang. Weidmann scheint sich indes sicher gewesen zu sein. Noch im Mai hatte er selbst indirekt seine Bereitschaft zu einem Wechsel signalisiert. In den schwarz-roten Koalitionsgesprächen soll zudem die Absprache getroffen worden sein, dass Weidmann der gemeinsame Kandidat der Regierung ist. Im politischen Berlin wurde die Nachricht mit seltsamer Sprachlosigkeit aufgenommen. Vor allem in der Union herrschte Rätselraten über die Haltung der Kanzlerin. Offizielle Äußerungen blieben aus. Nicht zuletzt gibt es nach den jüngsten scharfen Auseinandersetzungen zwischen CDU und CSU keinen Bedarf zu erneuter Kritik an Merkel in einem nicht entschiedenen Punkt. Auch die CSU, die im bayerischen Wahlkampf derzeit schlechte Karten hat, hielt sich zurück. Dabei war es der heutige CSU-Spitzenkandidat Markus Söder, der 2016 als bayerischer Finanzminister in der “Bild”-Zeitung gefordert hatte: “Wenn Draghis Amtszeit 2019 ausläuft, sollte der nächste EZB-Chef aus Deutschland sein.” Mit der öffentlichen Forderung blieb Söder aber weitgehend allein. Einzig aus der Opposition kam gestern Kritik an der Kanzlerin. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer monierte, dass Merkel Weidmann “als EZB-Kandidaten fallen lässt”, und bezeichnete dies als “Schlag gegen die Stabilitätskultur in Europa”. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und US-Präsident Donald Trump stellten die Unabhängigkeit ihrer Zentralbanken infrage, so Theurer. “Mit Weidmann als EZB-Präsidenten hätte man dieser verheerenden Entwicklung etwas entgegensetzen können.” Das Kalkül Merkels liegt in der Annahme, dass ein Deutscher als EU-Präsident ihr mehr politischen Einfluss verspricht als die Besetzung der EZB-Spitze. Dies dürfte die stabilisierende Rolle der EZB verkennen, die die Notenbank seit der europäischen Staatsschuldenkrise übernommen hat – verbunden mit der bislang unerfüllten Hoffnung, die europäischen Regierungen würden durch Strukturreformen ihren Teil zur Erholung beitragen. In der Tat dürfte der Präsident der unabhängigen Notenbank anders als der Kommissionspräsident für politische Pakte und Vereinbarungen nicht in die Pflicht zu nehmen sein. Dies gilt für Weidmann im Besonderen. Für die Kommissionsspitze sind der Fraktionschef der EVP im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) im Gespräch.