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Missmut über Argentiniens Kabinettschef

Von Andreas Fink, Buenos Aires Börsen-Zeitung, 1.9.2018 "Wir stehen hier keineswegs vor einem wirtschaftlichen Scheitern." Als Marcos Peña am Donnerstagmorgen diesen Satz in die TV-Kameras sprach, war ein Dollar 34,48 Pesos wert. Drei Stunden...

Missmut über Argentiniens Kabinettschef

Von Andreas Fink, Buenos Aires”Wir stehen hier keineswegs vor einem wirtschaftlichen Scheitern.” Als Marcos Peña am Donnerstagmorgen diesen Satz in die TV-Kameras sprach, war ein Dollar 34,48 Pesos wert. Drei Stunden später streifte die US-Währung die Rekordmarke von 42 Pesos, ehe die Notenbank zu Handelsschluss 500 Mill. Dollar auf den ausgetrockneten Devisenmarkt warf und die argentinische Landeswährung knapp unter 40 Pesos fiel.Nun ist Marcos Peña kein Ökonom, sondern Politologe und als solcher extrem erfolgreich. Der Marketing- und Social-Media-Experte hat seit 2007 dafür gesorgt, dass sein Chef Mauricio Macri nicht nur sämtliche Wahlen gewann, sondern auch in den Umfragen immer deutlich vor sämtlichen anderen Politführern des Pampalandes lag. Peña riet seinem Chef stets, ein eigenes politisches Profil zu wahren und trotz fehlender Mehrheit möglichst Distanz zu sämtlichen Strömungen des Peronismus zu halten. Das hat bis April sehr ordentlich geklappt. Macris Sympathiewerte lagen weit höher als die sämtlicher Amtskollegen auf dem Subkontinent. Doch nun hat er zwei Probleme: Das Geld ist alle. Und sein Regierungsteam agiert konfus.Das bekamen Argentinier und Anleger am Mittwochmorgen vorgeführt, in einer ebenso kurzen wie kraftlosen TV-Botschaft des sichtlich ausgelaugten Regierungschefs. Er habe die frohe Botschaft zu verkünden, dass der Internationale Währungsfonds IWF alle notwendigen Mittel bereitstellen werde, um den Auslandsschuldendienst des Landes zu gewährleisten. Argentinien hat im Juni vom IWF einen 50-Mrd.-Dollar-Stand-by-Kredit bewilligt bekommen und eine erste Tranche von 15 Mrd. empfangen. Die weiteren Gelder sollen in Raten von 3 Mrd. Dollar vierteljährlich überwiesen werden, wenn das Land den ausgehandelten Plan einhält. Was Macri nun de facto ankündigte, war die Bereitschaft des Fonds, mehrere Raten vorzuziehen, um die akuten Finanzierungslücken zu füllen. Die TV-Botschaft hatte die Märkte beruhigen sollen, doch genau das Gegenteil trat ein. Am Freitagmorgen, als der Peso 52 % unter dem Jahresanfangswert lag, lieferten die Medien eine Erklärung für Macris Malheur. Denn offenbar hatte der Präsident einen persönlichen Accord mit IWF-Direktorin Cristine Lagarde ausgehandelt, obwohl dieser noch nicht mit den mächtigen Gremien innerhalb des IWF abgeklärt war. Das wurde deutlich, als Investoren prompt beim Fonds nachfragten und mangels Bestätigung von dort die Massenflucht aus der Pampa antraten. Macri bekam einen Anruf der erzürnten IWF-Direktorin, die den Argentinier eigentlich schätzt und es sich – so raunt es in Buenos Aires – zum Ziel gemacht hat, mit einer Rettung des schwer erziehbaren Problemkindes Argentinien Verdienste für ein eigenes Präsidentschaftsprojekt in Frankreich zu sammeln. Zur Schadensbegrenzung verabredeten Lagarde und Macri, dass Finanzminister Nicolás Dujovne nach Washington reisen und dort am kommenden Montag ein verschärftes Sparprogramm präsentieren soll.Dujovne – offizieller argentinischer Ansprechpartner des IWF – war offenbar gegen die Idee einer Ankündigung von Absichten. Doch wer war dafür? Offenbar Notenbankchef Luis Caputo, den argentinische Kommentatoren wegen seiner Karriere in der Finanzbranche als “Chef-Zocker” bezeichnen. Und Kabinettschef Peña, dessen PR-Team die falsche Botschaft textete.Nun fordern viele Peñas Kopf. Seit Ende vorigen Jahres, als der Kabinettschef durchsetzte, den Kampf gegen die Inflation zu zähmen, um Laune und Konsum anzukurbeln, haben ihn die Investoren im Visier. Am Donnerstag, bei einem Treffen des einflussreichen Council of the Americas, äußerten viele Investoren Missmut über Peña und dessen zwei Wirtschaftskoordinatoren, Quintana und Lopetegui, die Arbeit und Ausgaben aller 22 Ministerien kontrollieren. Dieser Apparat hat mehrfach versagt, darum verlangen auch mehrere enge Gefährten des Präsidenten eine Abkehr von Peña und dessen politischer Konfrontationsstrategie. Um im September das Budget zu verabschieden, braucht Macri nämlich einen Teil der peronistischen Opposition. Doch wie es scheint, will Macri seinen Marcos nicht opfern.