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Mit "Anstupsern" zum Wirtschaftsnobelpreis

kaz/jw - Die größte Erkenntnis seiner Arbeit sei, "dass wirtschaftliche Akteure menschlich sind", erklärt Richard H. Thaler anlässlich der 49. Verleihung des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften. Der US-amerikanische Ökonom...

Mit "Anstupsern" zum Wirtschaftsnobelpreis

kaz/jw – Die größte Erkenntnis seiner Arbeit sei, “dass wirtschaftliche Akteure menschlich sind”, erklärt Richard H. Thaler anlässlich der 49. Verleihung des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften. Der US-amerikanische Ökonom hat die diesjährige Auszeichnung “für seine Beiträge zur Verhaltensökonomik” erhalten, in denen er die menschliche Psychologie hinter ökonomischen Entscheidungen erforscht. Im Gegensatz zum klassischen Menschenbild der Wirtschaftswissenschaften, dem des sogenannten Homo oeconomicus, entwirft der Professor der University of Chicago in seinen Theorien einen zwischen rationalen und irrationalen Entscheidungen hin- und hergerissenen Menschen.Geboren und aufgewachsen in New Jersey, machte Thaler 1967 seinen Abschluss als Bachelor an der Case Western Reserve University. Drei Jahre später folgte der Masterabschluss an der University of Rochester, 1974 die Promotion ebendort. Unter anderem dort lehrte er später auch; neben weiteren Zwischenstopps etwa in Cornell oder als Gastdozent an zahlreichen weiteren US-Hochschulen. Seit 1995 forscht und lehrt Thaler heute an der University of Chicago Booth School of Business. Vom Anreiz zur EntscheidungEinem größeren Publikum bekannt wurde der Amerikaner 2008 durch sein Werk “Nudge”, das er zusammen mit dem ehemaligen Weißes-Haus-Berater Cass Sunstein geschrieben hat und in dem er sich mit dem Einfluss kleiner “Anstupser”, sogenannter “Nudges”, auf menschliche Entscheidungen beschäftigt. Darin erläutern die Ökonomen, wie man ohne Regeln und Verbote, sondern nur durch Anreize Menschen dazu bringen kann, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Dabei bleiben genau die gleichen Wahlfreiheiten wie zuvor, nur die offensichtlich “vernünftigsten” oder “gesündesten” Lösungen werden so angeboten, dass sie einfacher oder leichter zu erreichen sind. So könnten beispielsweise Obst und Gemüse in Kantinen prominenter platziert werden, damit Menschen zur gesunden Kost und nicht zum Schokoriegel greifen. Im Bereich des Marketing setzt man schon länger auf solche Tricks – aber auch immer mehr Regierungen nutzen Thalers Verhaltenstheorie, um der Bevölkerung zu bestimmten Entscheidungen zu verhelfen. Zum Beispiel nutzt die britische Regierung “Nudges”, wenn sie ihren Bürgern mitteilt, dass die meisten Menschen in ihrer Stadt bereits ihre Steuern bezahlt hätten. Es wurde festgestellt, dass die restlichen Bürger ihre Zahlungen daraufhin beschleunigten. “Liberale Bevormundung”?Thaler selbst sieht in den “Nudges” nur einen “Anstoß, keine Anordnung”. Sunstein hat die dahintersteckende Idee einmal als “liberalen Paternalismus” bezeichnet – Paternalismus bedeute zwar Bevormundung. Dieser Paternalismus sei aber libertär, also freiheitlich, weil keine Verbote, Steuern oder Vorschriften die Auswahl an Alternativen einschränkten. Trotzdem rief ihr Ansatz auch Kritik hervor: Sollen Menschen wirklich vom Staat zu irgendeinem Verhalten “angestoßen” werden? Auch Verbraucherschützer sehen im “Nudging” eine Technik, die den Verbraucher in seiner Kaufentscheidung aktiv manipuliert, ohne dass es für ihn, etwa als Werbung, ersichtlich wird.Neben seinem Posten als Lehrender hält Thaler, der auf seiner offiziellen Universitätsseite Golf und guten Wein als “sonstige Interessen” aufführt, zahlreiche Forschungspositionen inne, so etwa den Vorsitz des “Centers for Decision Research”. Im Jahr 2015 war er zudem Vorsitzender der American Economic Association, einer internationalen Vereinigung von Wissenschaftlern.Thaler hat mit seiner Wissenschaft zwar wichtige Entscheidungshilfen angeboten, sein Kollege Daniel Kahneman, ebenfalls Ökonomie-Nobelpreisträger, merkte aber einst an: “Zu einem guten Leben gehört, dass man trotzdem auch mal unvernünftig ist.” Passend dazu antwortete Thaler gestern auf die Frage, was er mit dem Preisgeld von umgerechnet rund 940 000 Euro anfangen werde: Er werde “versuchen, es so unvernünftig wie möglich auszugeben”.