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Mit Auktionen zum Nobelpreis

Von Alexandra Baude, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.10.2020 Zum ersten, zum zweiten und zum dritten . . . - der Wirtschaftsnobelpreis geht an zwei Ökonomen aus den USA, die mit ihrer Forschung die vielfältige Welt der Auktionen bereichert haben....

Mit Auktionen zum Nobelpreis

Von Alexandra Baude, FrankfurtZum ersten, zum zweiten und zum dritten . . . – der Wirtschaftsnobelpreis geht an zwei Ökonomen aus den USA, die mit ihrer Forschung die vielfältige Welt der Auktionen bereichert haben. Ebenso passend wie untypisch mit einem Hammerschlag leitete Göran Hansson, Generalsekretär der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften die Ehrung der Ökonomen Paul R. Milgrom (72) und Robert B. Wilson (83) ein. Dass der Wirtschaftsnobelpreis zum sechsten Mal hintereinander (auch) in die USA ging (siehe Tabelle), überraschte nicht – wohl aber die Wahl der Preisträger.Milgrom und Wilson würden “für Verbesserungen der Auktionstheorie und Erfindungen neuer Auktionsformate” geehrt, sagte Hansson. Ihre theoretischen Entdeckungen hätten Auktionen in der Praxis verbessert und seien von großem Nutzen für die Gesellschaft. Auktionen seien wichtig, schließlich gebe es sie in allen Lebensbereichen, erklärte Tommy Andersson, Professor an der Universität von Lund und Mitglied des Nobelpreiskomitees: Von Online-Marktplätzen wie Ebay über die Vergabe von Funkfrequenzen, Fischfangquoten, Verschmutzungsrechten bis hin zu Strombörsen reiche das Spektrum der Versteigerungen. Das Geheimnis des BietensDer an der Stanford University lehrende Milgrom und der emeritierte Stanford-Professor Wilson hätten untersucht, wie Auktionen funktionierten, welche Auswirkungen auf Käufer und Verkäufer die unterschiedlichen Auktionsregeln hätten, und sie hätten ihre Erkenntnisse genutzt, um neue Auktionsformate für Waren und Dienstleistungen zu entwerfen, die auf traditionelle Weise schwer zu verkaufen seien: “Ihre Entdeckungen sind Verkäufern, Käufern und Steuerzahlern auf der ganzen Welt zugutegekommen”, sagte Andersson. Die Analyse der Regeln für Gebote und Endpreise – also des Auktionsformats – sei schwierig, da sich Bieter strategisch verhielten. Sie würden sowohl das berücksichtigen, was sie selbst wüssten, aber auch Annahmen darüber, was andere Bieter zu wissen glaubten, heißt es in der Begründung.Wilson entwickelte die Theorie für Auktionen von Objekten mit einem gemeinsamen Wert. Das ist ein Wert, der im Voraus ungewiss, aber am Ende für alle gleich ist – wie es etwa bei Funkfrequenzen der Fall ist. Er zeige, warum rationale Bieter eher Gebote abgäben, die unterhalb des von ihnen geschätzten Wertes lägen, aus Furcht, zu viel zu bezahlen – der “Fluch des Gewinners”. Milgrom formulierte eine allgemeine Auktionstheorie, die neben gemeinsamen auch private Werte zulasse, die von Bieter zu Bieter variierten, erläuterte Andersson. Gemeinsam haben beide neue Formate erfunden, etwa um miteinander verbundene Objekte eines Verkäufers versteigern zu können, der eher durch einen breiten gesellschaftlichen Nutzen als durch maximale Einnahmen motiviert war. Ein Beispiel dafür sind die 1994 erstmals so verkauften Funkfrequenzen. Der per Telefon zugeschaltete Wilson sagte, selbst habe er keine praktischen Erfahrungen mit einer Auktion. Als seine Frau ihn an seine bei Ebay gekauften Skischuhe erinnerte, korrigierte er sich rasch – ehe Hansson mit einem zweiten Hammerschlag die Zeremonie beendete.Deutsche Ökonomen hatten bereits erwartet, dass auch in diesem Jahr die Auszeichnung an US-amerikanische Forscher gehen würde. Getippt wurde etwa auf den vielseitig forschenden türkisch-amerikanischen MIT-Professor Daron Acemoglu, die Globalisierungsforscher Olivier Blanchard und Jagdish Bhagwati, die Außenhandelsspezialisten Anne Krueger und Gene Grossman oder die Arbeitsökonomin Claudia Goldin. Unter den von der Nachrichtenagentur dpa zu den Favoriten befragten Volkswirten hatte allein Achim Wambach, Präsident des Mannheimer ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, auf Milgrom und Wilson getippt und hatte damit den richtigen Riecher. Dass sich somit die Ära ausgezeichneter US-Forscher fortsetzt, erklärte Komiteemitglied Andersson mit den verstärkten Investitionen der USA in Forschung und Bildung nach dem Zweiten Weltkrieg: “Das zahlt sich jetzt aus”, sagte Andersson.Der Wirtschaftsnobelpreis geht im Gegensatz zu den klassischen Nobelpreisen nicht auf das Testament des Dynamit-Erfinders Alfred Nobel (1833 bis 1896) zurück. Der in diesem Jahr mit 10 Mill. skr (rund 950 000 Euro) – und damit 1 Mill. skr mehr als im Vorjahr – dotierte Preis wurde von der Riksbank erst 1968 zum Anlass ihrer 300-Jahr-Feier gestiftet. Daher heißt er auch nicht offiziell Nobelpreis, sondern “Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften zum Andenken an Alfred Nobel”. Verliehen wird er aber zusammen mit den traditionellen Nobelpreisen am Todestag Nobels, dem 10. Dezember. Keine Feier in StockholmIn diesem Jahr wird es allerdings coronabedingt keine feierliche Preisübergabe im Stockholmer Konzerthaus geben. Geplant ist eine kleinere Veranstaltung im Rathaus der schwedischen Hauptstadt, zu der die Laureaten zugeschaltet werden sollen. Hansson versprach aber, dass die beiden US-Forscher Nobelmedaille und -diplom auf jeden Fall noch in diesem Jahr in den Händen halten könnten.Der erste Wirtschaftsnobelpreis ging an Ragnar Frisch und Jan Tinbergen. Lediglich zwei Frauen wurden ausgezeichnet: Elinor Ostrom 2009, Esther Duflo 2019. Duflo erhielt den Nobelpreis mit ihrem Mann Abhijit Banerjee sowie Michael Kremer für ihren experimentellen Ansatz zur Linderung der globalen Armut. Von den 52 Auszeichnungen gingen 25 an Einzelpersonen, 20 an zwei Preisträger, und siebenmal teilten sich drei Forscher den Wirtschaftsnobelpreis. Bislang war Kenneth J. Arrow der jüngste Laureat: Er erhielt 1972 im Alter von 51 Jahren den Wirtschaftsnobelpreis. 2007 war Leonid Hurwicz mit 90 Jahren nicht nur der älteste Träger des Wirtschaftsnobelpreises, er ist auch bis heute über alle Kategorien hinweg der älteste Nobelpreisträger. Mit der gestrigen Bekanntgabe endete der diesjährige Auszeichnungsreigen.