KOMMENTAR

Mit voller Wucht

-3,8 %, 308 000, 10,1 Millionen: Wenn es noch eines Beweises bedurft hat für die Wucht, mit der die Pandemie die Euro-Wirtschaft trifft – die gestern in seltener Gleichzeitigkeit veröffentlichten Konjunkturdaten haben ihn auf beeindruckende wie...

Mit voller Wucht

-3,8 %, 308 000, 10,1 Millionen: Wenn es noch eines Beweises bedurft hat für die Wucht, mit der die Pandemie die Euro-Wirtschaft trifft – die gestern in seltener Gleichzeitigkeit veröffentlichten Konjunkturdaten haben ihn auf beeindruckende wie bedrückende Weise geliefert. Um 3,8 % ist die Wirtschaft in Euroland im ersten Quartal geschrumpft – ein fast beispielloser Einbruch. Um 308 000 hat im April die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland zugenommen – der erste Anstieg in einem April überhaupt. Und 10,1 Millionen Menschen sind hierzulande von Kurzarbeit bedroht – ein trauriger Rekord. Die Euro-Wirtschaft steckt mitten in einer historischen Rezession – und es dürfte in jedem Fall noch Schlimmer werden, bevor es besser wird: Im zweiten Quartal könnte das Wachstumsminus satt zweistellig sein, und die Jobverluste in Euroland dürften noch deutlich zunehmen – auch wenn Instrumente wie das Kurzarbeitergeld wohl Verhältnisse wie in den USA verhindern, wo binnen nur sechs Wochen 30 Mill. Jobs verloren gegangen sind. Gleichzeitig besteht aber weiter Hoffnung auf eine Besserung der Lage im Euroraum im zweiten Halbjahr. Entscheidend ist jetzt, dass das Wiederhochfahren der Wirtschaft und die nachhaltige Eindämmung der Pandemie glücken.Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nun ihre Antikrisenmaßnahmen verschärft. Sie versorgt die Banken mit noch mehr und noch billigerer Liquidität. Zugleich hat sie aber keine Aufstockung ihrer Anleihekäufe beschlossen, in die sie viele Investoren hineinreden woll(t)en. Das ist gut: Die EZB muss ohne Frage alles tun, um eine Bankenkrise zu verhindern. Sie kann aber auch nicht allein die Eurozone vor jeglichem wirtschaftlichen Ungemach schützen. Es ist richtig, jetzt erst einmal abzuwarten und auch den wahrlich beispiellosen geldpolitischen Stimulus, der in der Pipeline ist, wirken zu lassen.Viel entscheidender ist jetzt ohnehin, dass die Politik liefert. In der akuten Krise gilt es, weiter mit gezielten Maßnahmen wie Liquiditätshilfen, Kreditgarantien und Steuerstundungen eine wahre Pleitewelle bei Unternehmen zu verhindern. Und in der hoffentlich im Jahresverlauf einsetzenden Erholung sind Konjunkturpakete gefragt, die den Aufschwung unterstützen. Am besten gelingt das in Europa gemeinsam. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Euro-Politik jetzt beim avisierten Wiederaufbaufonds schnell zu Potte kommt.Ganz entscheidend kommt es bei allem aber auch darauf an, die richtige Balance zu finden zwischen gesundheitlichen Risiken und wirtschaftlichen Schäden. Die Politik muss eine überzeugende Strategie liefern, die eine zweite Infektionswelle verhindert – und doch mehr wirtschaftliche Aktivität erlaubt.