Mnuchin und Powell im Clinch

Finanzminister will Hilfsprogramme einstellen - Notenbankchef wehrt sich - Fed könnte nachlegen

Mnuchin und Powell im Clinch

In einem ungewöhnlichen Schritt hat US-Finanzminister Steve Mnuchin angekündigt, Kreditprogramme der Fed beenden zu wollen, mit denen die Notenbank in der Krise die Wirtschaft mit Notfallliquidität versorgt. Notenbankchef Jerome Powell widerspricht. Eine weitere Lockerung der Fed rückt näher.det/rec Washington/Frankfurt – Inmitten der dritten Coronawelle in den USA ist ein offener Streit zwischen dem Finanzministerium und der Fed über die Verlängerung mancher Coronahilfen für die Wirtschaft ausgebrochen. Anlass ist ein Schreiben von Finanzminister Steven Mnuchin an Fed-Chef Jerome Powell. Darin forderte Mnuchin, einige der von der Federal Reserve aufgelegten Nothilfeprogramme zum Jahresende auslaufen zu lassen. Gerechtfertigt sei der Schritt laut dem Finanzminister, weil einige der Kreditfazilitäten lediglich in geringem Maße in Anspruch genommen worden seien.Die Fed trat der Forderung Mnuchins umgehend entgegen. Sie sprach sich dafür aus, alle in der Coronakrise aufgelegten Notprogramme vorerst weiterlaufen zu lassen. Dem Vorstoß des Finanzministers sind allerdings insofern Grenzen gesetzt, als die Umverteilung nicht ohne die Zustimmung der Fed erfolgen kann. Würde die Notenbank die nicht in Anspruch genommenen Gelder wieder dem Finanzministerium zur Verfügung stellen, dann würde dies den künftigen Präsidenten Joe Biden daran hindern, die Kreditprogramme sofort wiederzubeleben.Beobachter wie der Präsident des Peterson Institute for International Economics (PIIE), Adam Posen, sehen genau darin ein Motiv Mnuchins. Posen verurteilte Mnuchins Vorstoß als Versuch, die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Biden zu erschweren. Das sei “unbeschreiblich schädlich” für Wirtschaft und Gesellschaft, weil es die wirtschaftliche Erholung vom beispiellosen Corona-Einbruch untergraben könnte, sagte Posen, der aus der US-Hauptstadt zugeschaltet war, beim European Banking Congress. Neue Anleihenkäufe möglichUnter anderem will Mnuchin die Verlängerung des “Main Street Lending Program” verhindern. Über die Kreditfazilität, die durch das Konjunkturpaket im März geschaffen wurde, hatte die Fed 3,7 Mrd. Dollar Darlehen an Klein- und Mittelbetriebe vergeben. Beenden will Mnuchin auch Kreditprogramme für einzelne Staaten sowie Käufe von Unternehmensanleihen. Nicht genutzte Hilfen von 580 Mrd. Dollar aus diesen Paketen will Mnuchin vom Parlament anderweitig verteilen lassen.Erste Volkswirte spekulieren bereits, dass die Fed den ungewöhnlichen Konflikt zum Anlass nimmt, ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Powell hat wiederholt betont, nicht zu zögern, das gesamte geldpolitische Instrumentarium auszuschöpfen. Über zusätzliche Maßnahmen spekulierte am Freitag etwa Gregory Daco, Ökonom von Oxford Economics: Der Konflikt zwischen Finanzminister und Fed verändere “die Balance in Richtung zusätzlicher geldpolitischer Impulse”. Der Zwist könnte die Fed unerwartet zwingen, bei ihrer nächsten Zinssitzung im Dezember nachzulegen, etwa durch eine Ausweitung der Anleihenkäufe. Die Währungshüter werden bei der Gelegenheit auch neue Konjunkturprognosen veröffentlichen, die wichtige Hinweise für die Entwicklung der US-Wirtschaft im ersten Jahr unter Biden sein werden. – Wertberichtigt Seite 8