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Mogelpackung aus dem Justizministerium

Börsen-Zeitung, 6.10.2018 Mogelpackungen gibt es nicht nur in den Ladenregalen. Auch in der Politik kommt es vor, dass die Namen von Gesetzen nicht dem Text entsprechen und die Verpackung mehr verspricht, als es der Inhalt hergibt. Der...

Mogelpackung aus dem Justizministerium

Mogelpackungen gibt es nicht nur in den Ladenregalen. Auch in der Politik kommt es vor, dass die Namen von Gesetzen nicht dem Text entsprechen und die Verpackung mehr verspricht, als es der Inhalt hergibt. Der Gesetzesentwurf zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (Arug II) ist eine solche Mogelpackung. Vor gut einer Woche über das „Handelsblatt“ lanciert, haben die Verpackungskünstler aus dem Haus von Bundesjustizministerin Katarina Barley gute Arbeit geleistet. „Mehr Macht für die Aktionäre“ titelte das Blatt, offenkundig, ohne die exklusiv zugespielten 115 Seiten richtig analysiert und verstanden zu haben. Denn in den wesentlichen Punkten des Gesetzes, mit dem die EU-Richtlinie vom Mai 2017 endlich in nationales Recht umgesetzt werden soll – die Frist dafür läuft im Juni 2019 aus –, werden nicht die Rechte der Aktionäre gestärkt, sondern die Rechte der Unternehmen und ihrer Verwaltung im Verhältnis zu den Aktionären. Aufsichtsrat bestimmt weiterBei jenem Thema, das in der öffentlichen Diskussion besondere Beachtung fand und noch findet, nämlich der Vorstandsvergütung, ist das regelmäßige Votum der Hauptversammlung über die vorgelegte Vergütungspolitik die nette Verpackung, der echte Inhalt aber die nur „beratende“ Ausgestaltung dieses Votums, „so dass die Kompetenz zur Festsetzung und Entwicklung eines entsprechenden Systems weiterhin eindeutig beim Aufsichtsrat verbleibt“ , wie es im Referentenentwurf heißt. Im Klartext: Die von der EU nach unzähligen Vergütungsexzessen in der Richtlinie geschaffene Option, Vorstandsvergütungen von den Anteilseignern in der Hauptversammlung verbindlich beschließen oder abändern zu lassen, setzt der deutsche Gesetzgeber nicht in nationales Recht um. Stärkung der Aktionärsrechte? Zur Begründung wird auf das deutsche dualistische System mit Vorstand und Aufsichtsrat verwiesen. Der Aufsichtsrat sei für Vergütungsfragen „aufgrund seiner institutionellen Verfasstheit“ hierzu besonders geeignet, heißt es im Entwurf. Und weiter: Dank der Mitbestimmungsvorschriften sei ja auch der Einfluss der Arbeitnehmervertreter auf die Vorstandsvergütung gewährleistet. Irgendwie scheinen die Autoren des Referentenentwurfs nicht mitbekommen zu haben, dass die völlig aus dem Rahmen gefallenen Managervergütungen – von A wie Ackermann über M wie McDermott bis W wie Winterkorn – von mitbestimmten deutschen Aufsichtsräten beschlossen wurden. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass nur vom Votum der Aktionäre abhängige Vorstandsvergütungen generell niedriger ausfallen als vom Aufsichtsrat beschlossene. Gerade ausländische Aktionäre stoßen sich nicht an Managergehältern in zweistelliger Millionenhöhe – solange die Leistung stimmt. Doch Stein des Anstoßes waren ja oft nach oben offene Vorstandsvergütungen trotz schwacher Performance ihrer Empfänger. Diese Schieflagen sind auch und gerade im dualistischen deutschen Governance-System möglich gewesen, weil den Aufsichtsräten der Kapitalseite vielfach die nötige Unabhängigkeit fehlte und die Aufsichtsräte der Arbeitnehmerseite sich aus taktischen Gründen nicht eingemischt haben. So sind in der Vergangenheit Vergütungssysteme beschlossen worden, die kurzfristigen Erfolg über Gebühr honorierten und Misserfolge nicht sanktionierten. Es brauchte erst den Aufschrei und Aufstand der Aktionäre in Hauptversammlungen, damit sich etwas änderte. Insofern liegt das Justizministerium mit seiner Argumentation völlig daneben. Unbekanntes Wesen AktionärDer Aktionär scheint in der Wahrnehmung der Justizministerin je­mand zu sein, dem man nicht über den Weg trauen kann. Vor allem dann nicht, wenn er anonym bleiben will. Dieser Eindruck entsteht, wenn man sich die Neuregelung der Rechte der börsennotierten Gesellschaft zur Identifikation ihrer Aktionäre gegenüber Intermediären genauer an­schaut. Intermediäre wie beispielsweise Banken und Vermögensverwalter sind künftig verpflichtet, Informationen über die Identität von Aktionären zu erfassen und an die Gesellschaft weiterzuleiten. „Know Your Shareholder“ heißt die Zauberformel für die Gesellschaften in Anlehnung an das in der Finanzwelt schon etablierte Postulat „Know Your Customer“. Im einen Fall geht es um die Bekämpfung der Finanzkriminalität wie Geldwäsche, im anderen Fall offenkundig um die Bekämpfung von Aktionärseinfluss, vor allem anonymer Aktionäre. Oder was sonst soll die Begründung dafür sein, dass der Aktionär sich identifizieren lassen muss, und zwar trotz der bei 3% beginnenden Schwellen für Stimmrechtsmitteilungen? An der im deutschen Aktienrecht bestehenden Unterscheidung zwischen Namensaktien und Inhaberaktien werde grundsätzlich weiterhin festgehalten, beteuert das Ministerium zwar, allerdings würden diese Gattungen „weiter einander angenähert“. Stärkung der Aktionärsrechte?Zwar begrüßt der Referentenentwurf die Zielsetzung der EU-Aktionärsrechterichtlinie zur Erhöhung des Kontrolleinflusses der Aktionäre, hält aber im selben Atemzug fest, „dass hierdurch neue Unwägbarkeiten für die Gesellschaft geschaffen werden“. So könnten Kapitalmarktteilnehmer Druck auf die Gesellschaften ausüben, kurzfristige Erfolge zu liefern, die einer langfristig stabilen Unternehmensentwicklung sogar abträglich sein könnten. An diesen Formulierungen wird deutlich: Der Referentenentwurf atmet die alten SPD-Vorbehalte gegen den Kapitalmarkt und negiert, dass längst nicht nur die führenden deutschen institutionellen Anleger und Assetmanager großen Wert auf Nachhaltigkeit legen, sondern auch internationale Investoren wie Black­Rock. Aber was will man von einem auch für Verbraucherschutz zuständigen Ministerium erwarten, deren Chefin jüngst in einem Interview erklärte: „Ich habe weder die Zeit noch die Lust, mich mit Geldanlage intensiv zu befassen.“ Mit Aktienkultur und Governance börsennotierter Gesellschaften offenkundig ebenfalls nicht.—–c.doering@boersen-zeitung.de—–Von Claus DöringMit der Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie werden nicht die Rechte der Aktionäre, sondern der Gesellschaften und ihrer Organe gestärkt.—–