Monetäre Planwirtschaft

Von Stephan Lorz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 8.4.2017 In den Hochzeiten der sozialistischen Planwirtschaft haben die westlichen Ökonomen das Unterfangen stets belächelt, eine ganze Volkswirtschaft mit Fünfjahresplänen steuern zu wollen. Auf die...

Monetäre Planwirtschaft

Von Stephan Lorz, FrankfurtIn den Hochzeiten der sozialistischen Planwirtschaft haben die westlichen Ökonomen das Unterfangen stets belächelt, eine ganze Volkswirtschaft mit Fünfjahresplänen steuern zu wollen. Auf die Marktkräfte zu vertrauen, sei doch das bessere Rezept. Und tatsächlich: Das sozialistische Experiment ist gescheitert, die Marktwirtschaft in ihren vielen Ausprägungen hat obsiegt.Nun scheint aber über ein anderes Feld der Machbarkeitswahn der ökonomischen Steuerung zurückzukehren: die Geldpolitik. Notenbanken greifen mit ihrer unkonventionellen Geldpolitik ungeniert in das politische Geschehen ein, indem sie die fiskalisch darbenden Staaten finanziell unterstützen und neben dem traditionellen Preisstabilitätsziel verstärkt auch den Arbeitsmarkt und das Wirtschaftswachstum in den Blick nehmen – sich sogar überzeugt geben, dass ihre Mittel auch zum Einsatz in diesen Bereichen taugen. Den Beweis bleiben sie indes schuldig, schieben diesen Makel aber auf die Unmöglichkeit, das eigene Handeln aus der Entwicklung herauszurechnen.Vielleicht war es nach der Finanzkrise, die große Selbstzweifel in der Ökonomenzunft hervorgerufen hat, einfach an der Zeit, dass nun andere “Methoden” ausprobiert werden. Und womöglich gibt es dafür ja auch gute Argumente. Paul Sheard, Chefvolkswirt von S & P Global, spricht von den “langen Schatten” der Finanzkrise und dem veränderten geldpolitischen Umfeld. In der Zeit vor der Krise, als die Teuerung das Hauptproblem war, habe man richtig gehandelt, als man den Notenbanken die Unabhängigkeit verliehen und sie auf das Ziel der Preisstabilität eingeschworen habe. In einem Umfeld hartnäckiger Arbeitslosigkeit, anhaltend schwachen Wachstums und deflationärer Tendenzen müsse aber ein neuer Ansatz her.Vor etwa einem Jahr sorgte Pimco-Ökonom Joachim Fels mit Thesen zur “Kehrseite der Zentralbankunabhängigkeit” bereits einmal für Aufsehen (BZ vom 21.5.2016). Unabhängigkeit sei bei hoher Inflation “hilfreich”, in Zeiten von Deflation, Überschuldung und Finanzkrisen aber eher “hinderlich”. Sheard spricht nun von der notwendigen “Koordination von Fiskal- und Geldpolitik”. Die geldpolitische Debatte müsse “breiter aufgestellt”, die Notenbankziele “weiter definiert” werden. Das Preisstabilitätsziel sei unerreichbar, wenn nicht der Arbeitsmarkt mitspiele. Sheard: “Die EZB darf den Arbeitsmarkt nicht negieren!” Geld- und Fiskalpolitik seien nur die zwei Seiten auf der Münze der staatlichen Souveränität. Natürlich sei das Anleihekaufprogramm QE (Quantitative Easing) insofern eine “fiskalische Operation” – aber das sei zur Lösung der Probleme notwendig.Die Volkswirtschaft steuern und “normalisieren” vom Planungstisch der Notenbanken aus? Für den Schweizer Ökonomen Ernst Baltensperger eine “ökonomische Anmaßung”. Die Notenbanken jagten einem Phantom nach, kritisiert er und spricht von “Allmachtsfantasien”. ——–S&P-Ökonom Sheard fordert eine enge Zusammenarbeit von Geld- und Fiskalpolitik.——-