Nächster Nackenschlag für die deutsche Konjunktur
Nächster Nackenschlag für die deutsche Konjunktur
Industrieproduktion und China-Exporte brechen ein – DIW erwartet leichte Erholung erst 2025 – Standortproblem AfD
lz Frankfurt
Die Signale für eine konjunkturelle Bodenbildung werden langsam dichter, doch noch überwiegen die eher negativen Nachrichten. Bereits gestern hatten neue Daten zum Auftragseingang für ein Auf und Ab der Gefühle gesorgt: Sie gingen überraschend nach oben, allerdings durch mehr Großaufträge, was die Einordnung erschwert. Unterm Strich zeigten sich die Ökonomen diesbezüglich dann doch eher skeptisch.
Auch die aktuellen Daten sind janusköpfig: Bei den Exporten vermelden die Statistiker ein starkes Monatsplus von 1,7% (zum Vorjahr: -1,2%). Das ist besser als erwartet, doch kommt ein Dämpfer von neuen Produktionszahlen. Die Unternehmen drosselten ihre Fertigung in Deutschland stärker als gedacht. Industrie, Bau und Energieversorger stellten 2,4% weniger her als im Vormonat (zum Vorjahr: -5,3%) . Hier hatte man nur mit einem Minus von nur 0,3% gerechnet.
Zick-Zack der Produktion
Dass die Produktion nicht auf die Beine kommt, war angesichts vieler schwacher Daten zur Auftragslage in den vergangenen Monaten durchaus zu erwarten. Die jüngsten Nachrichten über die schlechte Konjunktur in der Autoindustrie ist hier nur ein Mosaikstein, der ins Bild passt. Im Juli ging es in der Automobilindustrie um deutliche 8.1% nach unten, und auch in Sektoren mit energieintensiver Produktion gaben im Juli um 1.8% nach.
„Die Industrieproduktion wird in diesem Jahr kaum nennenswert zulegen können“, erwartet Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank Group. „Die Produktion fährt einen Zick-Zack-Kurs, bei dem nichts herauskommt“, meint Alexander Krüger, Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser Lampe. Der Produktionsrückgang um mehr als 9% gegenüber 2015 spreche eine deutliche Sprache.
Gemischte Datenlage beim Export
Auch die zunächst mit Erleichterung kommentierten Daten zur Exportkonjunktur sind bei näherer Betrachtung gemischt: Zwar legten die Ausfuhren in die benachbarten Länder der EU und Eurozone deutlich zu. Doch dagegen fallen die Ausfuhren nach China deutlich um 8%. Gerade die schwachen Exporte nach China belasten die deutsche Industrie schwerwiegend und anhaltend. Die Industrie setzt trotz der politischen Probleme mit Peking nach wie vor stark auf die Produktion in diesem Land, weitet ihre Fertigung gar weiter aus wegen der guten Produktionsbedingungen und dem leichten Zugang zu Rohstoffen.
DIW: Stagnation 2024
Die Forschungsinstitute rechnen daher mehrheitlich für das laufende Jahr mit einer Stagnation der deutschen Wirtschaft, einer leichten Erholung im kommenden Jahr und erst 2026 mit einem spürbaren Aufschwung, wenn man Spitzenwerte von 1,5% überhaupt so nennen kann. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das an diesem Freitag seine Prognose vorgelegt hat, erwartet dann ein Plus von immerhin 1,4%.
Die Erholung verläuft weiterhin schleppend. Eine große Verunsicherung sorgt dem DIW zufolge bei Unternehmen für Zurückhaltung bei den Investitionen und bei Verbrauchern für verstärkte Sparanstrengungen statt Konsum. Die Berliner Prognostiker gehen aber davon aus, dass die steigenden Löhne und die gewonnene Kaufkraft im Laufe der nächsten Monate dann dafür sorgen, dass der Konsum sich doch als „die entscheidende Wachstumsstütze“ erweisen wird.
Insgesamt sieht DIW-Chef Marcel Fratzscher angesichts einer großen Unterauslastung der Wirtschaft indes „ein erhebliches Aufholpotenzial“. Neben Risiken etwa im Hinblick auf den Wahlausgang in den USA oder sich verschärfenden globalen Konflikten sieht Fratzscher auch „hausgemachte Probleme“: Ein großes Risiko sei etwa das Erstarken der AfD.
Der Rechtsruck und die Unklarheit nach den Landtagswahlen könnten die politische Paralyse verschärfen, warnt Fratzscher. Zudem könnten gerade produktive Bürger sich so abgeschreckt fühlen, dass sie auswanderten. Das könne in jenen Ländern zu einem Teufelskreis führen aus noch mehr Mangel an Arbeitskräften, noch weniger Investitionen, noch weniger Wachstum und noch mehr politischen Probleme.
Eine solche mögliche Entwicklung scheint sich auch in einer Umfrage des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim) in Berlin anzudeuten. Fast jede vierte befragte Person mit Migrationshintergrund erwäge zumindest hypothetisch gleich ganz aus Deutschland auszuwandern, teilte das Zentrum mit. Die Befragten sollten ihre Zustimmung oder Ablehnung zu folgendem Satz äußern: „Seit die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) vermehrt gute Umfragewerte hat, denke ich darüber nach, aus Deutschland auszuwandern.“ 27% der Befragten mit Herkünften aus der Region Nahost und Nordafrika stimmten („voll und ganz“ oder „eher“) zu, 24 bis 25% aus Nicht-EU-Ländern in Europa und anderen Weltregionen äußerten ebenfalls ihre Zustimmung. Konkrete Pläne haben demnach fast 10% der Befragten mit Migrationshintergrund.