Neue EU-Regulierung droht zur KI-Bremse zu werden
Regulierung droht KI zu bremsen
Beirat fordert von Habeck innovationsfreundliche und großzügige Auslegung neuer EU-Regeln – Auch KI-Verband warnt
Der auf europäischer Ebene beschlossene AI Act sorgt in Deutschland weiter für Diskussionen. Wirtschaftsminister Robert Habeck wurde von seinem Wissenschaftlichen Beirat gewarnt, dass die Regulierung zu einer Wachstumsbremse werden könnte. Die KI-Branche selbst fordert Klarheit bei der Umsetzung.
ahe Berlin
Der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums sorgt sich, dass die weitere Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) in Europa durch den AI Act ausgebremst wird. Er hatte Ende Mai endgültig grünes Licht in Brüssel erhalten. In einem Brief an Wirtschaftsminister Robert Habeck verwies der Beirats-Vorsitzende Eckhard Janeba darauf, dass das EU-Gesetzgebungsverfahren von der Sorge um Diskriminierung, Manipulation, Freiheitsrechte, Datenschutz und Gefahren für die Demokratie getrieben worden sei. Es dürfe aber nicht in Vergessenheit geraten, dass die neuen technischen Möglichkeiten wirtschaftliche und gesellschaftliche Chancen eröffneten.
Keine Abkoppelung vom dynamischsten Wirtschaftszweig
„Es geht darum, dass sich Europa durch dieses Regelwerk nicht von einem der dynamischsten Wirtschaftszweige ausschließt“, warnte der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim in dem Schreiben, das der Börsen-Zeitung vorliegt. „Die Gefahr ist ernst zu nehmen, dass europäische Angebote von Techniken künstlicher Intelligenz (und insbesondere von generativer AI, die auf Sprachmodellen beruht) nach dem Inkrafttreten des AI Act noch weiter zurückgehen und dass in Europa keine neuen innovativen Angebote entwickelt werden.“
Bei der weiteren Umsetzung der neuen Regeln sind die Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung auch nach Einschätzung des unabhängigen Beratergremiums beschränkt. Die verbliebenen Spielräume sollten aber genutzt werden, um Innovation zu erleichtern, hieß es in dem Brief an Habeck. Durch eine großzügige Auslegung und Anwendung der Vorschriften über sogenannte Open-Source-Angebote, für die vorgesehenen regulativen „Sandboxes“ sowie für kleine und mittlere Unternehmen sollten Freiräume für Innovation eröffnet werden. Der Beirat plädierte zugleich dafür, für alle Vorhaben, die unter den AI Act fallen, nur ein einziges Verwaltungsverfahren mit Konzentrationswirkung zu schaffen.
Klarheit gefordert
Vanessa Cann, Vorstandsmitglied im KI-Bundesverband, verwies am Donnerstag auf einer Veranstaltung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Berlin darauf, dass es nicht darum gehe, wie scharf die neue Regulierung formuliert sei. Diese müsse aber sehr klar und möglichst europaweit einheitlich ausgestaltet sein. „Hoffentlich wird der AI Act nicht zu einem Showstopper wie die Datenschutzgrundverordnung“, sagte Cann.
Nach Einschätzung des Sachverständigenrates kann die Implementierung von KI grundsätzlich Innovationsprozesse beschleunigen und damit auch zum Ausbau des Kapitalstocks in Deutschland beitragen. Wie umfangreich künstliche Intelligenz aber das derzeit schwache Wachstum fördern könne, hänge stark von der Regulierung sowie der Durchdringung der KI in der Wirtschaft ab, sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm auf der Veranstaltung.
Cann verwies darauf, dass zusätzliche Umsätze und Wachstum momentan nicht über die eigentlichen KI-Anwendungen gemacht würden. Von den Investments profitierten im Wesentlichen die Halbleiterindustrie oder Energieprovider. Echte neue Wertschöpfung werde aber generiert, wenn Prozesse weiter digitalisiert und Datensilos aufgebrochen würden.
Neue Behörde zur Umsetzung des AI Act gesucht
Der Wissenschaftliche Beirat sieht Rechtssicherheit als den wichtigsten Beitrag des AI Act zur Innovation. „Die Bundesregierung sollte deshalb darauf dringen, dass Guidelines für die Anwendung der Regeln schnell entwickelt werden“, hieß es in dem von Janeba unterzeichneten Brief. Habecks Berater setzten sich dort auch für ein starkes AI
Office auf EU-Ebene ein. So werde
verhindert, dass Anbieter in Mitgliedstaaten mit einer weniger legalistischen Verwaltungskultur abwandern, hieß es. Das Wirtschaftsministerium muss allerdings noch eine nationale Behörde zur Umsetzung der Regulierung bestimmen. Im Gespräch ist hier die Bundesnetzagentur.