Neue Sorgen um Italiens Konjunktur

Kaum noch Wachstum - Defizitpläne mit neuer Prognose wohl Makulatur - IWF fordert Strukturreformen

Neue Sorgen um Italiens Konjunktur

ahe/ms Brüssel/Frankfurt – Die Sorgen um die Wirtschaftsentwicklung in Italien werden immer größer. Die EU-Kommission revidierte die ohnehin schon dürftigen Wachstumserwartungen für das laufende Jahr noch einmal deutlich nach unten und prognostiziert jetzt nur noch einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,2 %. Italien wäre mit diesem Wachstum knapp oberhalb der Nulllinie mit weitem Abstand Schlusslicht in der ganzen EU.Finanzminister Giovanni Tria räumte in Rom Schwierigkeiten seines Landes ein, an frühere Wachstumszeiten anzuknüpfen. Es sei aber eher ein konjunktureller Rückschlag als “eine echte Rezession”, sagte Tria vor dem Parlament. Volkswirte sprechen allerdings von einer technischen Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge schrumpft. Dies war in Italien im zweiten Halbjahr 2018 der Fall.Die EU-Kommission war in ihrer Anfang November veröffentlichten Herbstprognose noch von einem BIP-Anstieg 2019 von 1,2 % ausgegangen. Bei der Einigung im Haushaltsstreit Mitte Dezember war dann nur noch von einem Wachstum von 1,0 % die Rede gewesen. Die italienische Regierung hatte zuvor noch mit 1,5 % gerechnet.EU-Wirtschaftskommissar Moscovici verteidigte gestern noch einmal die im Dezember zugrunde gelegten Annahmen. Diese hätten zu dem Zeitpunkt glaubwürdig ausgesehen, sagte er in Brüssel. Die Einigung im Haushaltsstreit habe zudem die Lage in Italien beruhigt. Ohne diese Verständigung wäre die Situation heute wohl um einiges schlimmer.Was die neue Prognose von nur noch 0,2 % BIP-Anstieg nun aber für das Haushaltsdefizit bedeutet, darüber wollte Moscovici nicht sprechen. Dies werde erst zu einem späteren Zeitpunkt analysiert, sagte der Franzose. “Wir beobachten die wirtschaftlichen und fiskalischen Entwicklungen aber weiter sehr genau.”Im Dezember war ein Defizitziel für 2019 von 2,04 % vereinbart worden. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis betonte angesichts der neuen Prognosen: “Italien braucht tiefe Strukturreformen und entschlossenes Handeln, um das hohe Niveau der öffentlichen Schulden zu senken.” Es gehe um eine verantwortliche Politik, die für Stabilität und Vertrauen sorge sowie Investitionen stärke.Bereits am Mittwoch hatte sich der Internationale Währungsfonds (IWF) besorgt über die Lage in Italien geäußert und die Regierung in Rom kritisiert. Im jährlichen Länderbericht zu Italien lobte der Fonds zwar die Absicht, die wirtschaftliche und soziale Lage im Land zu verbessern, und erklärte, die expansive Fiskalpolitik könne durchaus das Wachstum kurzfristig erhöhen. Steigende Refinanzierungskosten für die Banken und den Staat könnten das Wachstum längerfristig aber untergraben, und Italien drohe ein neuerlicher Vertrauensverlust an den Märkten. Die Strategie der Regierung sehe nicht die Reformen vor, die nötig wären, um seit langem bestehende strukturelle Hindernisse für nachhaltiges Wachstum zu überwinden. Die einzige Lösung für Italien liege in einem höheren Potenzialwachstum. Dafür brauche es mutige Strukturreformen und eine schrittweise Konsolidierung der Staatsfinanzen.Für 2019 prognostiziert der IWF 0,6 % Wachstum – und damit etwas mehr als die EU-Kommission. Für die Jahre 2020 bis 2023 erwartet er immer weniger als 1 % Wachstum. Das Haushaltsdefizit sieht er 2019 bei -2,1 % und 2020 bei -2,9 %. Für die Folgejahre erwartet er jeweils 3,0 %. Als Konsequenz sieht der Fonds die Schuldenquote auch 2023 noch bei rund 131 % des BIP.