Klimaschutz

Neue Subventionen für schnelle Transformation

Damit die Transformation der Industrie Fahrt aufnimmt, will die Bundesregierung ein neues Instrument zum Einsatz bringen: Klimaschutzdifferenzverträge. Ökonomen warnen vor einem breiten Einsatz des Subventionswerkzeugs.

Neue Subventionen für schnelle Transformation

Von Angela Wefers und

Stefan Paravicini, Berlin

„Es geht schlicht darum, keine Zeit zu verlieren und jetzt loszulegen“, sagte Patrick Graichen, beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, vor wenigen Wochen zur Rolle von Carbon Contracts for Difference (CCfD) im Rahmen der Klimapolitik der Bundesregierung. Das Prinzip dieser Klimaschutzdifferenzverträge, die in dem noch vor Ostern erwarteten Gesetzespaket der Bundesregierung für mehr Klimaschutz enthalten sein sollen, ist denn auch im Grundsatz einfach: Der Staat schließt mit Unternehmen Verträge, die für Emissionsminderungen zum Beispiel einen bestimmten CO2-Preis garantieren und Investitionen in klimafreundliche Technologien kalkulierbar machen. Liegt der Marktpreis für CO2-Emissionen darunter, schießt der Staat die Differenz zu. Kann das Unternehmen die CO2-Zertifikate zu einem höheren Preis verkaufen, zahlt es in die Staatskasse ein. So soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen in klimaneutrale Technologien investiert und die Klimaziele erreicht werden. Binnen einer Dekade sollen die Emissionen des Industriesektors bis 2030 von 186 Mill. auf 118 Mill. Tonnen CO2 sinken (siehe Grafik).

So einfach das Instrument auf den ersten Blick wirkt, so komplex ist es im Detail. Welche Unternehmen sollen sich für CCfD bewerben können? Nach welchen Kriterien wird entschieden, wer sich für einen CCfD qualifiziert? Wie werden die Verträge genau ausgestaltet? Wer rechnet am Ende nach, dass die versprochenen Emissionsminderungen auch erreicht wurden? Und wie soll das eigentlich alles bezahlt werden?

Fragt man beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nach, möchte man sich dort nicht auf eine abschließende Liste von Branchen festlegen. „Klar ist aber, dass das nicht das Masseninstrument für Tausende von Unternehmen sein kann“, sagt Carsten Rolle, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik des BDI. Die Handhabung solcher Verträge könne aufwendig werden, wenn neben den Kostenunterschieden der Energieträger weitere Mehrkosten emissionsfreier Produkte ausgeglichen werden sollen.

Was die Kosten betrifft, hat die Denkfabrik Agora Energiewende gerade vorgerechnet, dass allein die für die Umstellung von Stahl-, Chemie- und Zementfabrik auf klimaneutrale Technologien erforderlichen CCfD in den nächsten zehn Jahren mit bis zu 43 Mrd. Euro zu Buche schlagen könnten. Die Unternehmensberatung Boston Consulting hat im Auftrag des BDI ebenfalls nachgerechnet und kommt für Stahl, Zement und Chemie bis 2025 auf jährlich mehr als 2 Mrd. Euro für CCfD. Bei einer breiteren Anwendung des Instruments in den Folgejahren könnten es ab 2030 bereits knapp 5 Mrd. Euro pro Jahr sein.

In der Ampel-Koalition zeichnete sich zuletzt ein erster Streit darüber ab, wo die Mittel für die Finanzierung der CCfD herkommen sollen. Staatssekretär Patrick Graichen will die Differenzverträge zunächst aus dem Transformationsfonds bezahlen, hat wegen der rasch wachsenden Ausgabenwünsche an den Fonds aber schon Einnahmemöglichkeiten jenseits des Bundeshaushalts zur Diskussion gestellt. Dem trat unter anderem Lukas Köhler, Vize-Fraktionschef der FDP, entschieden entgegen. Ziel müsse es sein, die Verträge so auszugestalten, dass der Finanzbedarf so gering wie möglich ist, sagte Köhler. Im Rahmen der am Wochenende von der Ampel angekündigten 200 Mrd. Euro „für Energiesicherheit und Klimaschutz“ bis 2026 plant die Bundesregierung mit Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 20 Mrd. Euro zur Finanzierung von CCfD.

„Ordnungspolitisch ist es geboten, das Volumen der Carbon Contracts for Difference möglichst gering zu halten“, sagt der Freiburger Ökonom Lars Feld. Er habe Verständnis dafür, manchen Unternehmen bei der Transformation unter die Arme zu greifen, eine längere Subventionierung wie beim EEG müsse aber verhindert werden. Der Klimaökonom Ottmar Edenhofer warnt vor einem breitflächigen Einsatz von CCfD. Das hätte einen dauerhaft niedrigeren CO2-Preis zur Folge und damit höhere Subventionen des Staates. „Daher sollte der CO2-Preis das Leitinstrument für den nachhaltigen Umbau der Industrie und damit effektiven Klimaschutz sein, nicht die CCfD“, sagt der Präsident des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

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