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Neuer malaysischer Premier stellt Wirtschaft in den Fokus

Von Ernst Herb, Hongkong Börsen-Zeitung, 15.5.2018 Mit dem Überraschungssieg der Opposition in den selbst an den rauen innenpolitischen Sitten gemessen äußerst hart umkämpften malaysischen Parlamentswahlen steht die viertgrößte südostasiatische...

Neuer malaysischer Premier stellt Wirtschaft in den Fokus

Von Ernst Herb, HongkongMit dem Überraschungssieg der Opposition in den selbst an den rauen innenpolitischen Sitten gemessen äußerst hart umkämpften malaysischen Parlamentswahlen steht die viertgrößte südostasiatische Volkswirtschaft vor ungewissen Zeiten. Das weiß auch der am vergangenen Donnerstag vereidigte Premierminister Mahatir Mohammad, der schon einmal versprochen hat, dass es zu keinem Rachefeldzug gegen den unterlegenen politischen Gegner kommen wird. “Das Wichtigste ist jetzt die Wirtschaft”, sagte der 92-jährige Mahatir, der das Land bereits zwischen 1981 und 2003 regiert hat. Investoren sind beunruhigtDiese beruhigenden Worte konnten aber nicht verhindern, dass die Landeswährung Ringgit nach Bekanntgabe des Wahlresultates deutlich an Außenwert verloren hat. Ausländische Portfolioinvestoren, die von Anfang des Jahres bis Ende vergangener Woche Nettokäufe in Höhe von 3 Mrd. Ringgit (759 Mill. Dollar) getätigt haben, waren allgemein von einem Wahlsieg des vom alten Premierminister Najib Razak angeführten Parteienbündnis Barisan Nasional (BN) ausgegangen. Die Börse Kuala Lumpur, die am Donnerstag und Freitag wie geplant geschlossen blieb, gab am Montag anfänglich stark nach, doch ging der KLCI schlussendlich mit einem leichten Plus aus dem Handel.Das Oppositionsbündnis Pakatan Harapan (PH, Pakt der Hoffnung) hat trotz der wirtschaftlich guten Lage bei den allgemeinen Parlamentswahlen 113 der 222 Sitze errungen. Der noch vor kurzem als klarer Favorit geltende bisherige Premierminister Naguib Razak strauchelte über eine unpopuläre Steuerreform und vor allem den 2016 aufgedeckten Skandal um den Staatsfonds 1MDB. Mit dem Sieg der Opposition endete die seit der Unabhängigkeit des Landes dauernde ununterbrochene Herrschaft der führenden Regierungspartei United Malays National Organisation (UMNO). Nach Meinung von Ökonomen des japanischen Finanzhauses Nomura steht die malaysische Wirtschaft jetzt vor einer längeren Phase größerer Unwägbarkeiten. 2017 expandierte das Bruttoinlandprodukt (BIP) 5,9 %. Nomura projizierte Anfang des Jahres für 2018 ein Wirtschaftswachstum von 5,5 % und für das 2019 von 5 %. Die jetzt an die Macht gekommene Parteienkoalition PH hatte während des Wahlkampfs die Abschaffung der 2015 von der Vorgängerregierung eingeführten Umsatzsteuer auf Waren und Dienstleistungen (GST) versprochen. Auch machte die HP mit der unter Naguib schrittweisen Senkung von Treibstoffsubventionen Stimmung gegen die Regierung. Beide Reformen waren äußert unpopulär, denn sie haben in der Anfangsphase die Teuerung angeheizt. Doch sie gelten auch als die mutigsten politischen Schritte Najibs, konnten damit doch die Staatsfinanzen auf eine solidere Basis gestellt werden.Sollte Mahatir wie versprochen diese Reformen ohne kompensierende Maßnahmen rückgängig machen, so könnte die unter seinem Vorgänger gemachte fortschreitende Gesundung des öffentlichen Haushaltes einen Rückschlag erleiden. “Die Konsolidierung der fiskalischen Lage und damit auch die Bewertungsnote der staatlichen Verpflichtungen ist jetzt einer erhöhten Gefahr ausgesetzt”, urteilten die Ökonomen von Nomura. Dieses Risiko ist umso größer, da sich die im Ausland ausstehenden Schulden auf über 67 % des BIP belaufen. 1MDB-Skandal neu aufgerolltMahatir hat diese bereits in den vergangenen Wochen vorgebrachten Einwände vom Tisch gewischt mit dem Argument, dass im Falle des Wahlsieges die aus dem Staatsfonds 1MDB unterschlagenen Gelder in Milliardenhöhe beschlagnahmt würden. Naguib, der in Ämterkumulation auch Finanzminister und damit Verwaltungsratspräsident von 1MDB war, trägt für den Skandal die politische Verantwortung. Noch schwerer wiegt, dass aus dem Staatsfonds entwendete Gelder mutmaßlich in die Taschen von Familienmitgliedern und Verbündeten Naguibs sowie vor allem in die Finanzierung politischer Kampagnen geflossen sind.Größere Transaktionen sind dabei auch im Ausland gemacht worden. Das hat zu Strafverfahren unter anderem in der Schweiz, den USA und Singapur geführt. Mehrere amerikanische, europäische und asiatische Banken waren in den Fall verwickelt, der unter anderem zur Schließung der Tessiner Traditionsbank BSI führte. Die malaysischen Justizbehörden haben bisher nicht auf die vom Ausland an sie gerichteten Rechtshilfegesuche reagiert. Das dürfte sich jetzt ändern. Die Opposition hatte während des Wahlkampfes eine gründliche Aufarbeitung des Skandales versprochen. Ob veruntreutes Geld und vor allem in dem versprochenen Umfang von weit über 4 Mrd. Dollar wirklich in die Staatskasse zurückkehrt, bleibt völlig offen. Der neue Premierminister hat aber klargemacht, dass der Fall auch juristisch neu aufgearbeitet werden soll. Die vormalige malaysische Regierung war wenig kooperativ. Doch ist damit zu rechnen, dass die Rechtshilfegesuche jetzt zügig bearbeitet werden.Die kommenden Wochen werden auch zeigen, wie sich das Verhältnis Kuala Lumpurs zu Peking entwickeln wird. China ist innerhalb weniger Jahre nicht nur der wichtigste Handelspartner, sondern auch einer der größten Investoren Malaysias geworden, etwa auf dem Immobilienmarkt. Vor allem aber sind chinesische Unternehmen im Rahmen der von Peking vorangetriebenen “neuen Seidenstraße” dabei, in Malaysia 34 Mrd. Dollar in neue Infrastrukturprojekte zu investieren.Das hat in der Bevölkerung Ängste von einem “Ausverkauf der Heimat” geschürt, die von der Opposition im Wahlkampf auch heftig befeuert worden sind. Die Notenbank hat ihrerseits Bedenken über die längerfristige Finanzierung dieser Projekte vorgebracht, doch sind die chinesischen Investitionen bereits jetzt zu einem wichtigen Wachstumsmotor der Wirtschaft geworden. Es wird für Mahatir nicht einfach sein, alle im Wahlkampf gemachten Versprechen mit den wirtschaftlichen Erfordernissen unter einen Hut zu bringen.