Neuerlicher Notstand dämpft Japans Konjunktur
mf Tokio
Der erwartete Konjunkturaufschwung in Japan droht sich weiter zu verzögern. Zum vierten Mal seit dem Frühjahr 2020 verhängte die Regierung für das wichtigste Wirtschaftszentrum Tokio den Notstand. Dieser soll nun vom kommenden Montag bis zum 22. August gelten. Wenige Stunden nach dieser Entscheidung später beschlossen die Veranstalter der Olympischen Sommerspiele, die vom 23. Juli bis zum 8. August laufen, den kompletten Verzicht auf Zuschauer – und dies ausgerechnet am selben Tag, an dem der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, in Tokio eingetroffen war.
Bisher wollte Japan bis zu 10000 Zuschauer je Stadion erlauben, was im Schnitt einer Kapazitätsauslastung von 39% entsprochen hätte. Diesen Konjunkturimpuls, der jetzt entfällt, schätzte UBS Japan auf 0,2% der Wirtschaftsleistung. Zugleich entgehen den Organisatoren nun 800 Mill. Dollar an budgetierten Einnahmen aus den Eintrittskarten, die entweder Japans Regierung oder die Stadt Tokio nachträglich zuschießen müssen.
„Wir müssen stärkere Schritte unternehmen, um einen weiteren landesweiten Ausbruch zu verhindern, auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Coronavirus-Varianten“, begründete Premier Yoshihide Suga den erneuten Notstand. Anders als zuvor agierte der 72-jährige Regierungschef vorbeugend – die Zahl der täglichen Neuinfizierten liegt mit rund 900 weit unter den Höchstständen. Allerdings stieg der Anteil der Delta-Variante auf ein Fünftel, während erst 15% der Bevölkerung vollständig geimpft sind.
Der Notstand wird das öffentliche Leben zwar nur geringfügig einschränken. Bisher waren die Japaner nur dazu aufgerufen, möglichst viel zu Hause zu bleiben. Zugleich mussten Restaurants und Bars um 20 Uhr schließen und durften keinen Alkohol ausschenken. Aber der neuerliche Notstand dürfte private Konsumausgaben und Investitionen wie bisher weiter dämpfen. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung die Konjunktur nach Olympia kräftig anschieben wird, zumal sich Premier Suga im Herbst erstmals in nationalen Wahlen bewähren muss. Das Stimulus-Volumen schätzen Analysten auf 20 bis 30 Bill. Yen (150 bis 230 Mrd. Euro), wovon 15 bis 20 Bill. Yen über einen weiteren Nachtragshaushalt fließen würden.