START DER DEUTSCHEN EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT

Neues Kapitel für Finanzregulierung

Berlin unterstützt digitale Finanzmarktunion und Arbeit der Kommission an Digital-Finance-Strategie

Neues Kapitel für Finanzregulierung

Nachhaltige Finanzarchitektur, stabile Finanzpolitik und Steuergerechtigkeit setzt Berlin als Schwerpunkte im Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Zur Fortentwicklung der Bankenunion und Vertiefung der Kapitalmarktunion gesellt sich das Ziel, eine digitale Finanzmarktunion zu schaffen. Von Angela Wefers, BerlinDie Finanzbranche wird digitaler -und die Bundesregierung will die Regulierung auf den Stand der Zeit bringen. Sie kündigte gestern an, dort in den nächsten sechs Monaten ihrer heute beginnenden EU-Ratspräsidentschaft einen Fokus zu setzen. Die Digitalisierung des Finanzdienstleistungssektors eröffne Chancen für neue Geschäftsmodelle, Produkte und Anbieter, berge aber auch Risiken und verändere stark den Markt, analysiert Berlin die Lage. Die Schlussfolgerung: Die Finanzmarktregulierung muss an das digitale Zeitalter angepasst werden.Neben die Vertiefung der Kapitalmarktunion und die Vollendung der Bankenunion setzt Berlin in seinem Präsidentschaftsprogramm die “Schaffung einer digitalen Finanzmarktunion”. Hemmnisse bei grenzüberschreitenden digitalen Finanzdienstleistungen sollen abgebaut werden, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.Die Bundesregierung unterstützt damit Arbeiten der EU-Kommission an einer Digital-Finance-Strategie und an Regulierungsvorschlägen zur Souveränität des europäischen Finanzmarkts. Brüssel hat für den Herbst ein Arbeitspapier zu einer Digital-Finance-Strategie und einem Fintech-Aktionsplan angekündigt, das Aufgaben für die nächsten fünf Jahre beschreibt. Im April waren die Finanzmarktakteure – darunter Fintechs, Aufseher, Notenbanken, Anlegerschützer – zu einer Konsultation aufgerufen worden. Die Frist endete vergangene Woche; Ergebnisse sind noch nicht öffentlich.Die EU-Kommission steckte vor der Konsultation ein weites Feld ab, in dem sie sich bewegen will: Es geht ihr um einen Rechtsrahmen für Finanzdienstleistungen im digitalen Zeitalter. Dieser soll technologieneutral und innovationsfreundlich sein sowie Risiken angemessen steuern. Zudem sollen Verbraucher und Unternehmen befähigt werden, den digitalen Finanzbinnenmarkt zu nutzen. Schließlich will die Kommission einen gut regulierten, datengesteuerten Finanzsektor fördern und die Betriebsstabilität digitaler System des EU-Finanzsystems verbessern. Mit der Befragung der Finanzmarktakteure will die Kommission herausfinden, wie sie die Fragmentierung des Binnenmarkts für digitale Finanzdienstleistungen beseitigen und den datengesteuerten Finanzsektor am besten unterstützen kann. Kryptogeld fordert heraus Etwas konkretere digitale Finanzmarktprojekte in Europa sind Überlegungen zur Einführung eines digitalen Euro und zur Regulierung von Krypto-Assets. Arbeiten zum digitalen Zentralbankgeld laufen unter anderem in der EZB. Finanzstaatssekretär Jörg Kukies hatte jüngst unterstrichen, Deutschland werde dieses Vorhaben zu einem zentralen Punkt seiner Ratspräsidentschaft machen. Zugleich dämpfte er Erwartungen an eine rasche Realisierung. Diese Überlegungen sind angetrieben von den Plänen des Technologiekonzerns Facebook, mit Libra eine weltweite Digitalwährung einzuführen. Die vielfältigen Arten von digitalem Geld haben die EU-Kommission auch dazu gebracht, erste Überlegungen zur Regulierung von Krypto-Assets und Stablecoins zu skizzieren.Die Bundesregierung hat Ähnliches in ihrer Blockchain-Strategie aus dem Herbst angekündigt. Mit der jüngsten Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinie hierzulande hatte der Gesetzgeber schon die Verwahrung von kryptografischen Schlüsseln und virtuellen Währungen rechtlich erfasst. Seit Frühjahr 2019 gibt es zudem nationale Eckpunkte für eine Gesetzgebung zu einem öffentlichen Angebot für Kryptowährungen und für die Begebung elektronischer Schuldverschreibungen. Bei den Eckpunkten ist es bislang geblieben. Komplizierte Steuervorhaben Digital bleibt es auch auf dem Feld der Steuern. Die Bundesregierung stellt sich in ihrer Ratspräsidentschaft hinter die Reformvorschläge der OECD zur Besteuerung von Digitalkonzernen und zur Einführung einer effektiven globalen Mindestbesteuerung. Zumindest der Teil der Besteuerung von Digitalkonzernen hatte jüngst einen empfindlichen Rückschlag erlitten, indem US-Finanzminister Steve Mnuchin erklärte, die USA würden sich nicht mehr beteiligen. Gerade die US-Techkonzerne wären besonders betroffen. Das Interesse von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) richtet sich aber ohnehin stärker auf die Mindestbesteuerung. Auch ein weiteres, heftig umstrittenes Steuerprojekt will die Bundesregierung in ihrer Ratspräsidentschaft vorantreiben: Sie setze sich für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene ein. Der Zusatz der “europäischen Ebene” dürfte diejenigen im Finanzmarkt beruhigen, die Scholz einen nationalen Alleingang in diesem Punkt zutrauen.