Neues Recht treibt Grundsteuer hoch
Neues Recht treibt Grundsteuer hoch
Immer mehr Kommunen steigern den Hebesatz – Vorbereitung auf Erstanwendung 2025 der Grundsteuerreform – EY-Analyse
wf Berlin
Die Beratungsgesellschaft EY registriert vor der ersten Anwendung des neuen Grundsteuerrechts 2025 eine regelrechte Welle von Steuererhöhungen. Die deutschen Kommunen haben demnach 2023 die Hebesätze kräftig erhöht. In zahlreichen Kommunen werde sich dieser Trend 2024 vorsorglich weiter fortsetzen – schon um die Reform 2025 vorbereiten, erwartet Heinrich Fleischer, Partner Real Estate, Hospitality & Construction bei EY. Trotz des neuen Grundsteuerrechts mit aktualisierten Grundstückswerten soll das Steueraufkommen durch die Reform eigentlich nicht steigen – so das politische Versprechen.
Fleischer zweifelt allerdings an der versprochenen Aufkommensneutralität. „Die Tendenz bei der Grundsteuer geht seit Jahren nach oben, zuletzt sogar massiv“, erklärte er. Wegen der stagnierenden Wirtschaft dürfte der finanzielle Spielraum der Kommunen mittelfristig eher kleiner werden. „Die Versuchung, im Zuge der Umstellung auf das neue Grundsteuermodell zusätzliche Mehreinnahmen zu generieren, ist sehr groß,“ konstatierte Fleischer. Auch die Gewerbesteuer belastet die Unternehmen stark. 19% der Kommunen erhöhten 2023 auch die Gewerbesteuer.
Mehr Geld für die Gemeindekasse
Untersucht hat EY Daten aus den statistischen Landesämtern von 2005 bis 2023 für die Grundsteuer B , also der Steuer auf unbebaute und bebaute Grundstücke, die nicht der Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A) zugeordnet sind. Das Aufkommen steht allein den Kommunen zu. Steuern erhöhten der Analyse zufolge besonders Kommunen in Bundesländern, die eine sehr schlechte kommunale Finanzlage aufweisen: vor allem Bundesländer in Westdeutschland. Im Süden und Osten Deutschlands ist die Lage offensichtlich weniger kritisch, folgert EY.
Laut Steuerstatistik nahmen die Kommunen 2023 rund 15,1 Mrd. Euro Grundsteuer B ein. Für 2024 rechnen die Steuerschätzer mit einem Anstieg auf 15,6 Mrd. Euro. 2025, also im ersten Jahr der Erhebung nach dem neuen System der Grundsteuer, werden 15,8 Mrd. Euro erwartet. Bis 2029 – so weit reicht der Horizont der Steuerschätzung aus diesem Oktober – dürften die Einnahmen aus der Grundsteuer B auf 16,6 Mrd. Euro steigen. 2005 lagen die Einnahmen noch deutlich niedriger bei 9,9 Mrd. Euro und erreichten 2014 auch nur 12,2 Mrd. Euro.
Enorme Dynamik
EY hat ermittelt, dass der durchschnittliche Hebesatz zur Grundsteuer B im vergangenen Jahr so stark gestiegen ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr: um 18 Prozentpunkte oder von 391 auf 409%. Ein Viertel aller deutschen Kommunen habe 2023 den Grundsteuer-Hebesatz angehoben. Im Vorjahr waren es 13%, 2021 sogar nur 8%.
Die mit Abstand meisten Anhebungen des Grundsteuerhebesatzes gab es demnach in Rheinland-Pfalz. Fast vier Fünftel der Kommunen erhöhten dort die Grundsteuer. Der durchschnittliche Hebesatz stieg dort um 69% auf 464. Rheinland-Pfalz liegt damit auf Platz drei hinter Nordrhein-Westfalen mit 577 und Hessen mit 507. Hintergrund ist eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Rheinland-Pfalz mit einer deutlichen Erhöhung der sogenannten Nivellierungssätze. Die Kommunen kompensierten über die Hebesatzerhöhung Einnahmeverluste.
Unterschiede in den Bundesländern
Aber auch in anderen Bundesländern war der Trend stärker ausgeprägt. In Nordrhein-Westfalen sei der Anteil der Kommunen mit einem erhöhten Hebesatz von 26% auf 28% gestiegen, in Niedersachsen von 10% auf 12%. Niedersachsen liegt mit einem durchschnittlichen Hebesatz von 406 im oberen Mittelfeld. In anderen Bundesländern ging die Dynamik zurück: Im Saarland erhöhten noch 15% nach 19% der Kommunen ihre Grundsteuer, in Baden-Württemberg waren es 9% nach 16%.
Auch der Anteil der Kommunen mit einem Hebesatz von 400 oder höher stieg deutlich: von 39% auf 52%. 2005 habe der Anteil noch bei 5% gelegen. Den höchsten Hebesatz hat die Gemeinde Lorch in Hessen mit 1.050, gefolgt von Kerzenheim in Rheinland-Pfalz mit 1.000. In einigen Bundesländern verzichten die meisten Städte und Gemeinden indes seit Jahren darauf, ihre Hebesätze zu erhöhen: In Thüringen waren es nur 4% der Kommunen, in Sachsen-Anhalt, Bayern und Sachsen 5%. Während vergangenes Jahr 2.671 der knapp 10.800 deutschen Kommunen den Satz heraufsetzten, gingen nur 49 Kommunen den umgekehrten Weg.