KOMMENTAR

Nicht korrupt genug

Die Amtsenthebung Dilma Rousseffs ist ein politisches Halunkenstück mit einer tragischen Heldin. Brasiliens Präsidentin wird wohl gehen müssen. Nicht weil sie zu korrupt war, sondern weil sie nicht korrupt genug ist, um Brasilien zu regieren....

Nicht korrupt genug

Die Amtsenthebung Dilma Rousseffs ist ein politisches Halunkenstück mit einer tragischen Heldin. Brasiliens Präsidentin wird wohl gehen müssen. Nicht weil sie zu korrupt war, sondern weil sie nicht korrupt genug ist, um Brasilien zu regieren. Seitdem die umtriebigen Ermittler aus Curitiba im März 2014 das gigantische Korruptionssystem beim Staatskonzern Petrobras offenlegten, hatten Parlamentarier und Parteibonzen aus Regierung und Opposition Rousseff bestürmt, Richter Sérgio Moro zu bremsen. Doch Rousseff reagierte nicht. Wie sie auch zuvor unempfänglich war für jene Gegengeschäfte, die den Betrieb in Brasiliens Multiparteienpolitik am Laufen hielten. Und die Rousseffs Vorgänger Luiz Inácio (Lula) da Silva – gestützt auf den Rohstoffboom des vorigen Jahrzehnts – so meisterhaft beherrschte.Rousseff, die von den Petrobras-Ermittlern nicht persönlicher Bereicherung bezichtigt wird, ist vor allem Opfer ihres Regierungsstils. Sie schloss sich ein in ihrem Palast, wälzte Unmengen von Papier und kommandierte, statt zu kommunizieren. Sie verabscheute jene falschen Freundlichkeiten, die notwendig sind, muss man mit zehn (!) Koalitionsparteien regieren. Dass Rousseff nach dem knappen Wahlsieg 2014 ihren Wirtschaftskurs jäh in Richtung Markt wendete, bekamen die Koalitionspartner erst mit, als der Chicago-Ökonom Joaquim Levy Finanzminister war. Danach rebellierten alle; selbst die eigene Partei samt deren Lichtgestalt Lula. Es folgte zunächst die Wahl des Dunkelmanns Eduardo Cunha zum Kongresspräsidenten, dann dessen Rebellion, die in das aktuelle Amtsenthebungsverfahren mündete.Brasiliens Präsidentin wird demontiert, weil sie nicht einsehen wollte, wie die Dinge in ihrem Lande wirklich laufen. Ihr voraussichtlicher Nachfolger Michel Temer weiß das nur zu gut. Nun darf sich Richter Moro auf heftigen Gegenwind einstellen. Sollte das Projekt PT nun begraben werden, ist das auch die Folge einer fatalen Personalentscheidung: Lula hätte wissen müssen, dass Rousseff zu anständig ist, um sein Land zu regieren.