LEITARTIKEL

Noch nicht ganz zukunftsfest

Den deutschen Arbeitsmarkt kennt man seit langem nur mehr als Überflieger. Monat für Monat vermeldet die Bundesagentur für Arbeit (BA), dass die Arbeitslosenzahl auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung ist. Aber es ist wie mit jedem...

Noch nicht ganz zukunftsfest

Den deutschen Arbeitsmarkt kennt man seit langem nur mehr als Überflieger. Monat für Monat vermeldet die Bundesagentur für Arbeit (BA), dass die Arbeitslosenzahl auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung ist. Aber es ist wie mit jedem Höhenflug: Irgendwann ist Schluss.Klar ist, dass sich die derzeitige Konjunkturabkühlung am Arbeitsmarkt niederschlagen wird. Das ist aber kein Grund, sich der fortschreitenden Stimmungseintrübung hinzugeben, zumal diese sonst zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Denn es gibt auch gute Nachrichten: Der Jobmarkt ist im Vergleich zur Krise 2008/2009 robuster geworden. Allerdings ist die Konjunktur nicht die einzige Herausforderung: Fachkräftemangel, Demografie und Digitalisierung gilt es gleichfalls im Blick zu behalten. Daher sollten sich Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Politik und BA fragen, ob sie wirklich alles Mögliche und Nötige getan haben, um den Jobmarkt zukunftsfest zu gestalten.Die Konjunktur schwächelt seit längerem, die These einer nur kurzfristigen Delle ist dem Szenario eines längeren Abschwungs oder gar einer Rezession gewichen. Die ersten konjunkturell bedingten Bremsspuren sind nun auch auf dem Jobmarkt – einem nachlaufenden Indikator – sichtbar: Die Arbeitslosigkeit ist mit der einsetzenden Sommerpause stärker als in den vergangenen Jahren für einen Juli üblich gestiegen. Die Erwerbstätigkeit nimmt zwar noch zu, aber weniger dynamisch. Und auch die Arbeitskräftenachfrage liegt zwar weiter auf hohem Niveau, wird aber spürbar schwächer. Die Ankündigungen einiger Konzerne, tausende Stellen hierzulande zu streichen, schüren zwar die Sorgen vor einem Jobverlust, was über den Konsum wiederum die Wirtschaftsentwicklung dämpfen könnte -, doch sie sind (noch) nicht repräsentativ. Für Zuversicht sorgen die konjunkturunabhängigeren Dienstleister, die sich immer noch wacker schlagen und Stellen aufbauen – etwa in Erziehungs- und Pflegeberufen.Wie üblich, hat es auch diesmal die Zeitarbeit als erste Branche erwischt. Ist die Unternehmensstimmung im Sinkflug, ist es nur logisch, als erstes Zeitarbeitsverträge nicht zu verlängern. Bei der Stammbelegschaft das Messer anzusetzen will gut überlegt sein, denn nichts wäre betriebswirtschaftlich unsinniger, als in Zeiten des Fachkräftemangels erst mühsam Spezialisten suchen zu müssen, wenn die Nachfrage dann wieder anziehen sollte. Clever ist es, sich bei temporären Ereignissen über das Instrument der Kurzarbeit zu behelfen, das sich in der Euro- und Finanzschuldenkrise bewährt hat. Bereits jetzt greifen etliche Unternehmen darauf zurück oder haben diesbezügliche Pläne in der Schublade. Langfristig ist es preiswerter und für alle Beteiligten sinnvoller, Kurzarbeitergeld statt Arbeitslosengeld zu zahlen. Die Rücklage der BA von 23,5 Mrd. Euro stellt dafür ein solides Polster dar.Ein weiteres Instrument, Betrieb und Arbeitskräfte über Zeiten des Auftragsmangels zu retten, sind Arbeitszeitkonten. Dort gesammelte Überstunden werden im Bedarfsfall abgefeiert, bei steigender Nachfrage wieder aufgebaut. Positiver Nebeneffekt: Das Unternehmen wird dadurch attraktiver für potenzielle Arbeitnehmer.Als dramatischer könnte sich aber erweisen, dass Themen wie die Digitalisierung, die Umstellung in der für Deutschland wichtigen Autoindustrie auf Elektromobilität oder die Demografie noch nicht flächendeckend angegangen werden. Es ist zwar aller Ehren wert, dass die BA gut 1 Mrd. Euro in den Haushalt eingestellt hat, um Beschäftigte mit berufsbegleitender Beratung in den Betrieben fit für den Strukturwandel zu machen. Unternehmen und Arbeitnehmer sollten hier aber in erster Linie gemeinsam selbst aktiv werden. Auch ist es für Jugendlichen nur bedingt sinnvoll, einen Beruf nach Prestige und potenziellem Gehalt zu wählen. Den einmal erlernten Beruf bis zur Rente auszuüben, ist schon lange nicht mehr gelebte Realität.——Von Alexandra BaudeDer deutsche Arbeitsmarkt kommt wohl mit der Konjunkturabkühlung zurecht – um zukunftsfest zu sein, bedarf es aber weiterer Anstrengungen.——