Notenbanker heizt EZB-Debatte an
ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte nach Ansicht von EZB-Ratsmitglied Francois Villeroy de Galhau in Zukunft auch vorübergehend Inflationsraten von mehr als 2 % tolerieren – nachdem die Teuerung nun lange Zeit darunterlag. Das sagte Frankreichs Notenbankpräsident am Freitag bei einer virtuellen Debatte zu Zentralbanken. Letztlich laufe das dann auf das Gleiche hinaus wie die neue Strategie der US-Notenbank Fed mit einem durchschnittlichen Inflationsziel, sagte er.Das EZB-Inflationsziel – aktuell “unter, aber nahe 2 %” – solle als “flexibel, symmetrisch und mittelfristig” interpretiert werden, so Villeroy de Galhau. Dazu gehöre, dass das Ziel keine Obergrenze sei und die Vergangenheit nicht ignoriert werden könne: “Infolgedessen könnten wir bereit sein, für einige Zeit eine Inflation von mehr als 2 % zu akzeptieren, ohne mechanisch eine Straffung unseres geldpolitischen Kurses auszulösen.” Das sei ex ante zwar kein Average Inflation Targeting wie nun bei der Fed, das Ergebnis sei ex post aber das Gleiche.Die Aussagen von Villeroy de Galhau sind die bislang klarsten eines Euro-Notenbankers nach dem historischen Strategieschwenk der Fed. Statt jedes Jahr aufs Neue 2 % anzuvisieren, will die Fed nun über einen bestimmten Zeitraum im Schnitt 2 % anstreben und Verfehlungen in der Zukunft ausgleichen. Konkret läuft das nach Jahren unterhalb des 2-Prozent-Ziels auf Jahre mit Raten oberhalb von 2 % hinaus. Im EZB-Rat sympathisieren einige mit einer solchen “Nachholstrategie”, andere bislang aber nicht. Die EZB überprüft erstmals seit 2003 ihre Strategie.Villeroy de Galhau sagte zudem, dass zwar nicht daran gerüttelt werde, dass Preisstabilität das vorrangige Ziel der EZB sei. Das heiße aber nicht, dass es nur darum gehe: “Unser gesetzliches Mandat ist nicht, wie oft angenommen, ein reines ,einzelnes Mandat’.” So solle die EZB wenn möglich die Wirtschaftspolitik unterstützen und damit Ziele wie Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt. Einige Experten fordern, die EZB soll diese Ziele viel stärker gewichten.Unterdessen haben am Freitag neue Daten der EZB gezeigt, dass sich das Wachstum der Geldmenge im Euroraum zwar im August unerwartet etwas abgeschwächt hat, aber auf hohem Niveau verharrt, und dass auch die Kreditvergabe speziell an Unternehmen weiter kräftig zulegt (siehe Grafik). Das dürfte die Euro-Hüter in ihrer Einschätzung bestätigen, dass ihre beispiellosen Maßnahmen im Kampf gegen die Coronakrise und die Jahrhundertrezession wirken und ihre Geldspritzen in der Wirtschaft ankommen. Da die Wirtschaft schon wieder an Schwung verliert, erwarten allerdings viele Experten eine weitere Lockerung der EZB.