OECD fordert Entlastung des Faktors Arbeit

Deutschland langt bei Steuern und Abgaben kräftig zu - Gegenfinanzierung über höhere Immobiliensteuer

OECD fordert Entlastung des Faktors Arbeit

Von Stephan Lorz, FrankfurtDer Faktor Arbeit wird der OECD zufolge in Deutschland viel stärker mit Steuern und Sozialabgaben belastet als in den meisten anderen Industriestaaten. Auch Zweitverdiener in der Familie würden zu hoch besteuert, weshalb vor allem Frauen dem Arbeitsmarkt fernblieben. Die OECD rät darum zu einer Neugewichtung.Einem alleinstehenden Durchschnittsverdiener in Deutschland werden 49,4 % seines Arbeitsabkommens (inklusive Arbeitgeberleistungen) durch Steuern und Sozialabgaben abgezogen. Nur in Österreich (49,5 %) und Belgien (55,3 %) liegt die Quote im Industrieländervergleich höher. Das zeigt eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Im Durchschnitt aller 34 OECD-Mitgliedstaaten liegt die Belastungsquote bei nur 35,9 %.Für die hohen Abzüge hierzulande ist dabei weniger die Einkommensteuer verantwortlich. Viel stärker schlagen die Beiträge für Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu Buche. Um die Steuer- und Beitragslast auf Arbeit zu senken, empfiehlt die OECD eine Neugewichtung der Belastungsquote und fordert im Gegenzug eine höhere Besteuerung von Immobilien.Die OECD-Daten sind indessen mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten, weil sie auch durch die Organisation der Vorsorgesysteme verzerrt sind. Wird wie in Großbritannien und den USA stark auf private Vorsorge etwa für das Alter gesetzt, scheint die Belastung besonders niedrig zu sein. Der private Rentenbeitrag senkt das verfügbare Arbeitseinkommen zwar in etwa gleichem Maße wie öffentliche Systeme, die hierfür fest Abgaben vorsehen, das schlägt aber nicht auf die OECD-Statistik durch.Die OECD kritisiert in ihrem Bericht zudem, dass vom deutschen Steuersystem Fehlanreize ausgehen. Regeln wie das Ehegattensplitting oder die beitragsfreie Versicherung nichterwerbstätiger Partner verringerten die Motivation, eine Arbeit aufzunehmen. Denn die Steuerbelastung steige stark, wenn in einem Haushalt eine zweite Person eine Beschäftigung aufnehme. “Hohe Steuern und Abgaben für Zweitverdiener entmutigen vor allem Frauen, erwerbstätig zu werden”, monierte OECD-Direktor Pascal Saint-Amans. Familien profitierenIst in einer Familie mit zwei Kindern nur ein Erwachsener erwerbstätig und erhält er den Durchschnittlohn, sinkt die Steuerlast nach der OECD-Rechnung auf nur noch 0,8 % des Gesamteinkommens. Nur Chile, Polen, die Slowakei und Tschechien sind Familien steuerlich noch besser gestellt. Erst die Sozialabgaben, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam entrichten, schleusen die Belastungsquote dann auf das Niveau von 34 %, was im Industrieländervergleich Deutschland dann wieder auf Rang 10 katapultiert.Um die Fehlanreize zu verringern, schlägt die OECD vor, einen gesonderten Freibetrag einzuführen, um die Steuerlast von Zweitverdienern zu verringern. Zudem könnten die Krankenversicherungsbeiträge auf Basis der versicherten Erwachsenen in der Familie bemessen werden. Die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen sollte bei der Gestaltung des Steuersystems “stärker berücksichtigt” werden, mahnte Amans. Zumindest sollte es “bestehende Ungleichheiten nicht noch verstärken”.