OECD-Ausblick

OECD kappt deutsche BIP-Prognose

Rohstoff- und Transportpreise macht die Industrieländerorganisation OECD als wesentliche Treiber der Inflation aus – und mahnt, dass Engpässe etwa in der Containerschifffahrt eine Weile anhalten dürften.

OECD kappt deutsche BIP-Prognose

wü Paris

Getrieben von Impfkampagnen und den Konjunkturprogrammen zahlreicher Länder, hat sich das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr deutlich beschleunigt, so dass das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) inzwischen das Vorkrisenniveau von 2019 überflügelt hat. Zugleich gibt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem jüngsten Zwischen-Wirtschaftsausblick zu bedenken, dass die Weltwirtschaftsleistung Mitte dieses Jahres noch 3,5% unter den Prognosen gelegen habe, die vor Ausbruch der Pandemie gemacht worden seien. Das entspreche einem Einkommensverlust von mehr als 4,5 Bill. Dollar und in normalen Zeiten dem globalen Produktionswachstum eines Jahres. 

Für die Weltwirtschaft hat die OECD ihre Wachstumserwartungen mit 5,7% nahezu bestätigt. „Der Fortschritt ist jedoch ungleichmäßig, wie sich auch bei der Impfstoffverteilung gezeigt hat“, sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann. „Um eine nachhaltige und möglichst umfassende Erholung zu sichern, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich – von wirkungsvollen Impfkampagnen in allen Ländern bis hin zu konzertierten öffentlichen Investitionsstrategien, die den Boden für die Zukunft bereiten.“ In der Eurozone ist laut OECD nun mit einem Plus von 5,3% zu rechnen, zuvor waren es nur 4,3% gewesen. In Deutschland erwartet die OECD hingegen geringeres Wachstum als bisher.

Die unterschiedliche Erholung führe dazu, dass Länder vor sehr unterschiedlichen politischen Herausforderungen stünden, stellte OECD-Chefökonomin Laurence Boone fest. So ist die Produktion in einigen Ländern wie den USA zwar zu ihrem Vorkrisenniveau zurückgekehrt, nicht jedoch das Beschäftigungsniveau. In anderen Ländern – vor allem in Europa – ist es umgekehrt. Dort konnten Arbeitsplätze weitestgehend erhalten bleiben, doch die Produktion und die geleisteten Arbeitsstunden sind immer nicht wieder so wie vor Ausbruch von Covid-19. In einigen Wachstumsmärkten wiederum hat sich die wirtschaftliche Aktivität deutlich beschleunigt, gleichzeitig ist die Inflation stark gestiegen.

Keine Entwarnung vor 2023

Die Inflation habe auch in den USA, Kanada und Großbritannien kräftig zugelegt, heißt es in dem OECD-Bericht. In Europa falle dieser Inflationsanstieg dagegen moderat aus. Angetrieben wird die Inflation von dem starken Anstieg der Rohstoffpreise und Transportkosten, was 1,5 Prozentpunkte der Verbraucherpreisinflation ausmache.

Vor allem in Europa und Nordamerika hätten die deutliche Erholung der Nachfrage, Störungen der Lieferketten und leere Lagerbestände die Rohstoff- und Transportpreise getrieben. Weltweit seien die Rohstoffpreise im Juli und im August rund 55% höher gewesen als ein Jahr zuvor, heißt es in dem OECD-Bericht. Die Ölpreise seien zum Vorkrisenniveau zurückgekehrt, Metallpreise wegen der starken Nachfrage in China kräftig gestiegen und die weltweiten Nahrungsmittelpreise befänden sich auf dem höchsten Niveau innerhalb der letzten zehn Jahre. 

Zugleich seien die Preise für Containergütertransporte weiter gestiegen, getrieben von der hohen Nachfrage und Problemen mit dem Nachschub. Während Schiffe voll ausgelastet und Container rar sind, führen Covid-Beschränkungen wegen der Delta-Variante jetzt vor allem in asiatischen Ländern zu einer zusätzlichen Verlangsamung der Abfertigungsprozeduren in den Häfen. 

Diese atypische Situation dürfte ein Weile anhalten, sagte OECD-Chefökonomin Boone. Sie rechnet erst für 2023 mit einem signifikanten Anstieg zusätzlicher Transportkapazitäten. Die Verbraucherpreisinflation in den 20 größten Volkswirtschaften dürfte leicht abklingen. Es sei mit einem Rückgang von 4,5% Ende 2021 auf 3,5 % Ende 2022 zu rechnen. Damit läge sie aber immer noch über dem Vorkrisenniveau.

Die Erholung dürfte weiterhin sehr unterschiedlich verlaufen, so Boone. Die im Zusammenhang mit der Delta-Variante vor allem in Ländern mit niedrigen Impfraten notwendigen Beschränkungen dürften sich auf die Aussichten für eine vollständige Erholung in allen Ländern auswirken, warnt sie. Das BIP dürfte weltweit in diesem Jahr 5,7% zulegen und nächstes Jahr dann 4,5%. 

Für Deutschland, die USA, Kanada, Großbritannien und Australien hat sie die Prognosen für das laufende Jahr gerade leicht gesenkt. Für die Bundesrepublik erwartet sie nun ein Wachstum von 2,9%, für die USA 6%, für Kanada 5,4%, für Großbritannien 6,7% und für Australien 4%. Für andere Länder dagegen erwartet die OECD ein höheres Wachstum als noch im Mai, vor allem in der Eurozone. So dürfte Frankreich 6,3% zulegen, Italien 5,9% und Spanien 6,8%, die gesamte Eurozone 5,3%.

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