OECD mahnt Italien zu Reformen

Ex-IWF-Ökonom Cottarelli für Bürokratieabbau und Steuersenkungen

OECD mahnt Italien zu Reformen

bl Mailand – Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fordert Italien auf, die Finanzmärkte zu reformieren. Damit ließen sich bessere Bedingungen für die Finanzierung vor allem von Vorhaben mit langfristiger Perspektive schaffen. Die Kapitalisierung der börsennotierten Unternehmen erreichte 2018 nur 31 %. Inzwischen sind es 35 %. Das ist deutlich weniger als in Deutschland (46 %) und Frankreich (88 %). Italien könne das Wachstumspotenzial durch Reformen besser ausschöpfen, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei Vorstellung des Berichts zum italienischen Kapitalmarkt. Italien habe in Europa mit 23 % den höchsten Anteil schnell wachsender Firmen, doch sie finanzierten sich zu stark durch Bankkredite und seien anfällig bei externen Schocks.Ex-IWF-Ökonom Carlo Cottarelli vermisst indessen ernsthafte Initiativen zum Abbau der Bürokratie. Sie laste vor allem auf den Unternehmen, sagte er der Börsen-Zeitung. Die Kosten dieser Bürokratie sind nach Cottarellis Einschätzung 30 Mrd. bis 35 Mrd. Euro höher als in vergleichbaren Ländern.Die geplante Justizreform sei gut, weil sie Verfahren verkürze. Sie gehe aber nicht weit genug. Zivilprozesse dauerten viermal so lang wie in Deutschland. Cottarelli fordert auch Ausgabenkürzungen sowie eine Senkung der Steuerlast. Die Steuer- und Abgabenbelastung sei mit 42 % des Bruttoinlandsprodukts eine der höchsten im Euroraum. Um den europäischen Durchschnittswert zu erreichen, müssten die Steuern um mindestens weitere 9 Mrd. Euro gesenkt werden. Cottarelli ist der Auffassung, dass für Dienstleistungen wie den öffentlichen Nahverkehr oder den Bahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr höhere Preise verlangt werden könnten.Der Ökonom kritisierte das Vorziehen des Rentenalters durch die Vorgängerregierung aus Lega und 5 Sternen und die Einführung der Mindestsicherung, die er aber nicht grundsätzlich ablehnt. Mit den Maßnahmen seien Erfolge der Regierung unter Mario Monti zunichtegemacht worden. Monti hatte 2012 eine mutige Rentenreform durchgedrückt.Laut Cottarelli liegt das Investitionsniveau im Land nach wie vor fast 20 % unter dem von 2007. Auch bei der Produktion habe das Land noch nicht wieder das Level dieses Jahres erreicht: “Italiens Industrie hat Marktanteile im Welthandel verloren. Doch wer überlebt hat, der ist stärker als je zuvor.” Der Ökonom beklagt, dass der Glaube, der Staat könne alle Probleme der Wirtschaft lösen, zu weit verbreitet sei. Beispiele seien Alitalia, das Stahlwerk von Taranto oder die Frage der Enteignung der Autobahngesellschaft Autostrade per l’Italia.