OECD senkt Prognosen

Chefökonomin Boone mahnt globale Kooperation an - Koordinierte Steuersenkungen empfohlen

OECD senkt Prognosen

Angesichts von steigenden Risiken wie Handelskonflikten und politischen Unsicherheiten warnt die OECD, dass die Konjunkturabschwächung stärker als angenommen ausfallen könnte. Um dagegen anzukämpfen, empfiehlt sie weltweit koordinierte Steuerkürzungen und Ausgabensteigerungen. wü/ms Paris/Frankfurt – Die Industrieländerorganisation OECD zeigt sich zunehmend pessimistisch. Sie warnte gestern bei der Vorlage ihres jüngsten Wirtschaftsausblicks, dass die erwartete sanfte Abkühlung der Konjunktur wesentlich stärker ausfallen könnte, sollten die Risiken weiter steigen. So könnten weitere Handelsspannungen Warenverkehr und Wachstum belasten und damit zu noch mehr Planungs- und Investitionsunsicherheit führen, so die Organisation. “Die Weltwirtschaft bewegt sich in schwierigem Fahrwasser”, sagte OECD-Chefökonomin Laurence Boone. “Das globale Wachstum ist stark, hat seinen Höhepunkt aber erreicht.”Sie senkte deshalb erneut die Wachstumsprognosen für die meisten Länder und Regionen. Für Deutschland etwa erwartet sie in diesem und im kommenden Jahr nur noch ein Wirtschaftswachstum von je 1,6 %. 2020 dürfte die deutsche Wirtschaft sogar nur noch 1,4 % zulegen, meint die OECD. In der im September veröffentlichten Prognose war sie noch von 1,9 % beziehungsweise 1,8 % für 2018 und 2019 ausgegangen.Die neuen Prognosen kommen just zu einer Zeit, da die Sorgen um den Fortbestand des weltweiten Wirtschaftsaufschwungs spürbar zunehmen – nicht nur, aber vor allem auch an den Finanzmärkten. Die Konjunktursorgen haben speziell den Börsen bereits empfindliche Verluste beschert – wobei es zugleich auch die Befürchtungen gibt, die erhöhte Volatilität an den Märkten selbst könne wiederum die Realwirtschaft belasten. Das kann auch Folgen haben für die geldpolitische Normalisierung der führenden Zentralbanken. Fed-Chef Jerome Powell hat sich erst unlängst vorsichtiger zum US-Aufschwung geäußert, und auch EZB-Präsident Mario Draghi hat vor gestiegenen Risiken gewarnt.Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte bereits im Oktober erklärt, dass die Weltwirtschaft eine Art Plateau erreicht habe. Für 2018 und 2019 sagte der Fonds 3,7 % globales Wachstum voraus – so wie auch 2017. IWF-Kapitalmarktchef Tobias Adrian hatte unlängst im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, die Weltwirtschaft sei in “passabler Verfassung”, auch wenn die Risiken zugenommen hätten (vgl. BZ vom 9. November). Die Handelskonflikte nannte er das “große Damoklesschwert”, das über der Weltwirtschaft und den Finanzmärkten schwebe. Große Hoffnung auf G20Ähnlich äußert sich nun auch OECD-Chefökonomin Boone. Sie mahnte Politiker angesichts der steigenden Risiken einer scharfen Abschwächung des Wachstums, sie müssten das Vertrauen in den internationalen Dialog und internationale Institutionen wiederherstellen. Konkrete Aktionen auf G20-Ebene wären ein positives Signal und würden beweisen, dass Länder koordiniert und kooperativ zusammenarbeiten könnten, sollte sich die Konjunktur stärker abkühlen als erwartet, erklärte sie wenige Tage vor dem G20-Gipfel in Buenos Aires.Sollte sich das Wachstum stärker als angenommen verringern, wären weltweit koordinierte Steuerkürzungen und Ausgabensteigerungen die richtige Antwort, meint Boone. Eine globale Zusammenarbeit sei umso dringlicher, als die Politik und die Zentralbanken nur noch einen sehr begrenzten Handlungsspielraum hätten, urteilt sie. Auch hätten einige Länder nur noch einen geringen fiskalpolitischen Spielraum, was eine internationale Kooperation noch wichtiger mache. Da die Umsetzung und Koordinierung entsprechender Maßnahmen erfahrungsgemäß dauere, sei eine frühzeitige, vorsorgliche Planung wichtig, mahnt sie.Neben Handelskonflikten, politischen Unsicherheiten und einem weiteren Anstieg der Ölpreise sieht die OECD ein weiteres Risiko darin, dass Kapitalabflüsse aus den Schwellenländern zunehmen könnten, weil in den USA die Zinsen steigen. Ein Abschwung in China dürfte zudem auch auf die Industriestaaten durchschlagen. In einigen Ländern der Eurozone wiederum könnte die Exposition der Banken in Bezug auf die Staatsverschuldung ihrer Heimat das Kreditwachstum belasten, sollten die Risikoprämien weiter steigen. Das dürfte sich dämpfend auf Konsum, Investitionen, Wachstum und auch auf Arbeitsplätze auswirken.Die Politikverantwortlichen würden umsichtig handeln müssen, um ein nachhaltiges, wenn auch langsameres Wirtschaftswachstum zu gewährleisten, meint Boone. Angesichts des zerbrechlichen Umfelds sei es umso wichtiger, die Europäische Währungsunion wie in dem letzten OECD-Bericht zur Eurozone angemahnt fertigzustellen. Es sei zudem dringend notwendig, die Bankenunion abzuschließen.Den Brexit stufen die OECD-Experten dagegen nicht als wesentliches Risiko für die gesamte Eurozone ein. “Aber die Länder mit den engsten Handelsbeziehungen zu Großbritannien könnten stark beeinträchtigt werden, sollte das Vereinigte Königreich die EU ohne ein Abkommen verlassen”, warnen sie. Die Brexit-Unsicherheit hemme jedoch das Wachstum in Großbritannien.