ARBEITSMARKT

Ohne Perspektive

Die "Schuldigen" an der hohen Arbeitslosigkeit in den Euro-Krisenländern sind aus Sicht der Jobsucher in Athen, Madrid, Lissabon und Rom längst gefunden: Berlin, Brüssel und der IWF in Washington. Sie sind es, die durch ihre Reformauflagen den...

Ohne Perspektive

Die “Schuldigen” an der hohen Arbeitslosigkeit in den Euro-Krisenländern sind aus Sicht der Jobsucher in Athen, Madrid, Lissabon und Rom längst gefunden: Berlin, Brüssel und der IWF in Washington. Sie sind es, die durch ihre Reformauflagen den Menschen die Lebensperspektive nehmen, die Wirtschaft verkommen lassen und dafür sorgen, dass die Länder immer tiefer in die Rezession rutschen, heißt es. Der soziale Protest nimmt angesichts solcher “Feindbilder” immer schärfere Züge an.Die jüngste Arbeitsmarktprognose der OECD gibt deshalb zu neuer Sorge Anlass: Die Zahl der Jobsucher in den Krisenländern wird danach bis Ende 2014 weiter zunehmen. Zugleich machen Horrorzahlen die Runde, wonach etwa in Griechenland und Spanien mehr als jeder zweite junge Mensch arbeitslos ist. Dass sich das statistische Amt der EU – Eurostat – jüngst gezwungen sah, auf die geringe Belastbarkeit dieser Horrorzahlen hinzuweisen, dürfte die Proteste eher noch verstärken, weil man dahinter eine Verharmlosung des Problems vermutet.Die Folgen sind desaströs: Die sozialen Unruhen werden die Regierungen weiter davon abhalten, die versprochenen Reformen auch voll durchzuziehen, und sie werden jeden Investor (und auch viele Touristen) abschrecken, in diese Länder zu gehen. Weiterer Jobabbau und neue Perspektivlosigkeit sind die Folge. Wenn sich die Stimmung noch mehr aufheizt, steht sogar die Existenz der ganzen Eurozone auf dem Spiel.Eigentlich sollten die Regierungen ein Interesse daran haben, für die notwendigen Reformen zu werben und der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Zu lange haben Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dort nämlich über ihre Verhältnisse gelebt, haben sich Bürokratiestrukturen verfestigt und Verwaltungen aufgebläht. Alle Reformen, welche die Verhältnisse wieder zurechtrücken, kosten nun mal zunächst Jobs, bevor neue Arbeitsplätze entstehen.Doch statt sich zu den Fehlern der Vergangenheit zu bekennen und sich die Reformargumente der OECD zu eigen zu machen, gefällt sich die Politik in Athen, Lissabon und Madrid ganz gut in der Opferrolle. Das sorgt für eine weitere Zuspitzung auf der Straße. Insofern sollte sich die OECD künftig stärker direkt an die Bürger wenden, ihnen die Ursachen der Krise darlegen und die Folgen von Zuwiderhandlungen gegen ökonomische Gesetzmäßigkeiten schonungslos vor Augen führen, statt sich auf die Vermittlung durch die Politik zu verlassen, die alle Aussagen ohnehin in ihrem Sinne umdeutet.