IM GESPRÄCH: CHARLES COLLYNS UND HUNG Q. TRAN

"Ohne Reformen geht es rasch bergab"

Ökonomen des Institute of International Finance (IIF) loben die Fed und warnen die US-Regierung

"Ohne Reformen geht es rasch bergab"

Das Institute of International Finance (IIF) erwartet eine Beschleunigung des globalen Aufschwungs und begrüßt die Entscheidung der US-Notenbank, ihre Anleihenkäufe zurückzufahren. Es weist aber auch auf die Gefahren hoher Verschuldung und des immer größeren Wohlstandsgefälles hin.Von Peter De Thier, WashingtonObwohl der Internationale Bankenverband IIF (Institute of Internationa Finance) die Lage der Weltwirtschaft weiterhin positiv einschätzt und kürzlich seine Prognosen für das globale Wachstum leicht auf 3,7 % für das laufende Jahr angehoben hatte, weisen die Ökonomen trotzdem auf nicht zu unterschätzende Abwärtsrisiken hin. Für die Industrieländer, insbesondere die USA, bergen der potenziell irreführende Vermögenseffekt der jüngsten Aktienhausse verbunden mit stagnierenden Löhnen und zunehmend ungleicher Einkommens- und Vermögensverteilung die größten Gefahren.Laut Charles Collyns, Chefökonom beim IIF, sind allein während der ersten Jahreshälfte des vergangenen Jahres weltweit die Nettovermögen der privaten Haushalte um 4,9 % gewachsen. “Seit Ende 2008 nahmen die Privatvermögen allein in den USA um 20 Bill. Dollar zu und erreichten im dritten Quartal des abgelaufenen Jahres mehr als 77 Bill. Dollar – ein Zuwachs um 26 %”, fügt Hung Q. Tran hinzu, Executive Managing Director beim IIF. Die Gefahr: “Die kräftigen Kursgewinne an den Aktienmärkten und der damit verbundene positive Vermögenseffekt waren direkte Ergebnisse der ultralockeren Geldpolitik”, sagt der Volkswirt. “Wenn diese nun beendet wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gegenteil eintritt und dies negativ auf den Konsum und somit die Gesamtwirtschaft durchschlägt.”Auch könnten stagnierende Reallöhne sowie die immer tiefere Kluft zwischen Arm und Reich zur Folge haben, dass Verbraucher in den Industrienationen die Taschen zuhalten. Die Schwellenländer hingegen stehen nach Darstellung des IIF vor ganz anderen Herausforderungen. Laut Collyns profitierten die Emerging Markets während der vergangenen 20 Jahre immens von Globalisierung und technologischem Fortschritt, hätten es aber sträflich versäumt, in diesen guten Zeiten die notwendigen Reformen durchzusetzen. Das sei eine Ursache der Turbulenzen, die einige der Emerging Markets jetzt erlebten. Schwellenländer strauchelnDie Folge seien überdurchschnittliche Wachstumsraten gewesen, die sich nun aber ihrem Ende zuneigten. “In den Industrieländern, die von der Finanzkrise deutlich härter getroffen wurden, gibt es noch erhebliche Outputlücken”, sagt der IIF-Chefökonom. “Die Schwellenländer hingegen haben ihr Potenzialwachstum längst erreicht.” Folglich übernähmen die Industrieländer wieder eine immer bedeutendere Rolle als Wachstumskatalysator, während die Emerging-Markets-Staaten an Bedeutung verlören und als Folge mit einer potenziell destabilisierenden Umkehr der Kapitalflüsse zu kämpfen hätten. Ein Silberstreif ist aus der Sicht der Schwellen- und Entwicklungsländer, dass stärkeres Wachstum in den Industrienationen auch ihre Exportwirtschaft beflügeln könnte.Mit relativer Gelassenheit bewertet der Bankenverband die weiterhin steigenden Staatsschulden in den USA. Beim Defizitabbau seien bedeutende Fortschritte erzielt worden. Folglich erwarten die IIF-Ökonomen, dass die bereits deutlich gesunkene Defizitquote zumindest mittelfristig weiter zurückgehen und die Verschuldungsquote sich stabilisieren wird. Ab 2018, so Collyns, wird sich das Blatt aber wieder wenden. “Demografische Veränderungen und die steigende Inanspruchnahme gesetzlicher Ausgabenprogramme werden den Fiskus enorm belasten”, glaubt er. “Ohne entsprechende Reformen wird es dann mit den Staatsfinanzen der USA wieder rasch bergab gehen.” Erfolge beim SchuldenabbauIm Gegensatz zu den meisten übrigen Industrieländern lobt Hung indes die USA, weil sie bereits “erkennbare Fortschritte beim Abbau der Neuverschuldung erzielt” hätten. Auch haben laut Tran in den Vereinigten Staaten sowohl die privaten Haushalte als auch der Finanzsektor ihre Schulden deutlich verringert. Für beunruhigend hält der Nationalökonom hingegen die Zunahme der Verschuldung weltweit. Nach Angaben des IIF macht die Gesamtverschuldung der Staaten und des Privatsektors inzwischen 313 % der globalen Wirtschaftsleistung aus. “Dies engt im Krisenfall den fiskalpolitischen Spielraum der Staaten ein und würde gleichzeitig im Privatsektor die Möglichkeiten zur Kreditaufnahme beeinträchtigen.”Die globalen Handelsungleichgewichte sehen die Experten auf dem Wege der Besserung. Obwohl der steigende Fehlbetrag, den die USA sowohl gegenüber China als auch der Eurozone verzeichnen, in den USA Rufe nach protektionistischen Maßnahmen laut werden ließ, deutet laut Collyns der Rückgang des amerikanischen Gesamtdefizits darauf hin, “dass die Ungleichgewichte langsam abgebaut werden”. Ausstieg bis Ende 2014Gute Noten geben die IIF-Volkswirte der US-Notenbank für das Timing und den Umfang der reduzierten Anleihenkäufe. “Die Fed hat mit dem Beginn des Tapering erkannt, dass zwischenzeitlich die Kosten und Risiken der expansiven Geldpolitik schwerer wiegen als deren Nutzen”, erklärte Tran. Positiv bewertet Tran nicht nur die “längst notwendige” Verlangsamung der Anleihenkäufe, sondern insbesondere jene Transparenz, von der die Umsetzung der geldpolitischen Wende begleitet worden sei.”Das FOMC hat sehr klare Vorgaben gemacht, und das hat bis zum Einsetzen der jüngsten Volatilität auch die Märkte beruhigt”, sagt er. “Demnach können wir fest davon ausgehen, dass der Offenmarktausschuss mindestens bis Ende 2015 am Nullzins festhalten wird, eventuell sogar noch länger.” Was die Anleihenkäufe angeht, sei zu erwarten, dass diese wie im Dezember und Januar geschehen weiterhin um monatlich 5 bis 10 Mrd. Dollar gesenkt würden und bis Ende 2014 der Ausstieg komplett vollzogen sein werde.