DAS KONJUNKTURTABLEAU VON ZEW UND BÖRSEN-ZEITUNG

Ökonomen arbeiten Brexit-Votum ein

Prognosen für 2017 deutlich gesenkt - Aussichten für Investitionen und Export am stärksten eingetrübt

Ökonomen arbeiten Brexit-Votum ein

Das unerwartete Brexit-Votum der Briten zeigt teils mit zweimonatiger Verzögerung Spuren in den Konjunkturdaten und Prognosen. Für 2017 haben Ökonomen ihre Erwartungen deutlich heruntergeschraubt.ba Frankfurt – Der Brexit wirft seine Schatten voraus – nach und nach finden sich erste Anzeichen in Konjunkturdaten und Prognosen. So zeigen sich vor allem zahlreiche Stimmungsindikatoren für August von den Brexit-Sorgen gedrückt: Das Ifo-Geschäftsklima ist gefallen, ebenso wie das von der EU-Kommission erhobene Wirtschaftsvertrauen oder der Einkaufsmanagerindex. Die ZEW-Konjunkturerwartungen haben dagegen zugelegt.Noch ist weiter unklar, wann die Briten förmlich den Austritt aus der Europäischen Union erklären, zu welchen Konditionen und wann er vollzogen wird. Nun passen Ökonomen ihre Erwartungen zur konjunkturellen Entwicklung an die anhaltende Unsicherheit an, wie sich im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung zeigt, für das das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) monatlich die Prognosen von Banken, Wirtschaftswissenschaftlern an den Hochschulen und Institutionen in einem Medianwert zusammenführt und analysiert.Zwar stand Anfang Juli, als das Konjunkturtableau für Deutschland zuletzt veröffentlicht wurde, das Ergebnis der Brexit-Abstimmung in Großbritannien bereits fest, “aber die Auswirkungen waren wohl nur teilweise schon in den Prognosen berücksichtigt”, sagte ZEW-Experte Michael Schröder. Auffällig sei, “dass ab Anfang August die Prognosen für 2017 sehr deutlich nach unten revidiert wurden und seitdem auf dem reduzierten Niveau geblieben sind”. So gingen im Juli die Experten noch von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,6 % für 2017 aus, nun liegen die Werte um 0,4 Prozentpunkte darunter. “Vermutlich ist der größte Teil dieses Rückganges auf die geänderten Erwartungen nach der Brexit-Abstimmung zurückzuführen”, sagte Schröder.Besonders deutlich sind die Revisionen bei den Positionen Anlageinvestitionen, Exporte und Importe. Für die Anlageinvestitionen, deren Prognose im Juli noch angehoben worden war und damit auch den Voraussagen für das Wachstum einen Schub verliehen hatten, sagen die Experten nun ein Plus von 1,2 % statt zuvor 2,3 % voraus. Die Exporterwartungen wurden auf 2,8 % nach 4,1 % heruntergeschraubt, die Einfuhren werden mit 2,8 % statt 4,6 % prognostiziert. Beim Konsum, der nach wie vor wichtigster Treiber der deutschen Konjunktur ist, fallen die Änderungen für das kommende Jahr nicht ganz so gravierend aus: Die Voraussage für den Privatkonsum wurde um 0,2 Punkte, für den Staatskonsum um 0,4 Prozentpunkte zurückgenommen. Ähnliches Bild für EurolandFür 2016 sind hingegen die Prognoseunterschiede für Deutschland im Zweimonatsvergleich nur geringfügig. “Aber in diesem Jahr dürfte sich die Brexit-Abstimmung materiell auch kaum auswirken, da die Verhandlungen nicht vor dem Herbst beginnen werden”, so Schröder. Für das BIP sowie den staatlichen und privaten Konsum wurden die Prognosen für 2016 um jeweils 0,1 Punkte heruntergeschraubt. Am deutlichsten fiel die Revision bei den Importen aus – die Medianprognose liegt 0,5 Punkte unter der von Juli.Für das Eurogebiet sind ganz ähnliche Veränderungen zu erkennen. Während Anfang Juli die BIP-Prognosen für 2017 im Durchschnitt noch bei 1,6 % lagen, wird aktuell nur noch eine Zunahme um 1,2 % gesehen. Das Wachstum der wichtigsten ökonomischen Partnerländer werde somit ähnlich schwach prognostiziert wie das für Deutschland selbst, sagt Schröder. Für die am kommenden Donnerstag zur Veröffentlichung anstehenden aktualisierten Projektionen der Europäischen Zentralbank (EZB) rechnen Ökonomen ebenfalls mit Prognosesenkungen. Marco Valli von der Unicredit erwartet, dass statt eines Wachstums von 1,7 % nunmehr 1,5 % auf dem Zettel stehen werden.