GROSSBRITANNIEN NACH DER WAHL

Ökonomen: Harter Brexit ist abgewählt

Volkswirte mahnen jedoch vor Unsicherheit

Ökonomen: Harter Brexit ist abgewählt

jw Frankfurt – Nach der Wahlniederlage von Theresa May ist ein “harter Exit” Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) vielen Volkswirten zufolge vom Tisch. Die Verhandlungen über den EU-Austritt könnten nun jedoch komplizierter werden, mahnen die Experten. Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sagt: “Der harte Brexit wurde gestern abgewählt. Damit ist eine Einigung mit der EU auf längere Sicht wahrscheinlicher geworden”. Ähnlich sieht es Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise: “Das Positive an dem Wahlausgang ist, dass es kein Mandat für einen harten Brexit gibt.” Position Londons geschwächtDie Brexit-Verhandlungen könnten aber in jedem Fall auch komplizierter werden und sich herauszögern, meinen die Ökonomen. Nach Einschätzung von Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts, haben die Wahlen “die Ungewissheit, was die Brexit-Verhandlungen angeht, gesteigert”. Generell sehen Ökonomen die Position Londons bei den Gesprächen über den EU-Ausstieg Großbritanniens, die eigentlich am 19. Juni beginnen sollen, geschwächt. Auch Neuwahlen sind aus ihrer Sicht nicht ausgeschlossen. “Die Position Mays wird geschwächt, sowohl innen- als auch außenpolitisch”, argumentierte Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud. “Die Wahlen haben das Land weiter gespalten und bedeuten viel verlorene Zeit in den Brexit-Verhandlungen”, sagt DIW-Chef Marcel Fratzscher. “Die Wahrscheinlichkeit erneuter Wahlen macht Theresa May von Anfang an zu einer ,lame duck` und schadet der Glaubwürdigkeit der britischen Regierung in den Verhandlungen mit der EU.” Auch der deutsche Außenhandelspräsident Anton Börner rechnet mit neuen Unwägbarkeiten rund um den Brexit. “Das ist überhaupt kein Grund zur Schadenfreude, das ist eine schlechte Nachricht für Brüssel.” Einigkeit herrscht bei den Volkswirten jedoch in Bezug auf das Verhalten von Premierministerin Theresa May. Sie machen die Konservative für den Wahlausgang verantwortlich. Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, übt deutliche Kritik am Verhalten der britischen Premierministerin: “Der Wahlausgang ist die Quittung für Theresa Mays populistische Parolen, ihre fehlende Brexit-Strategie und ihre allein aus Machtkalkül angesetzten Neuwahlen.” Kein “Exit vom Brexit”Einen “Exit vom Brexit” halten die Volkswirte für unwahrscheinlich. Umstritten ist unter ihnen jedoch, wie sich das Wahlergebnis auf die wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens auswirken wird. Manche Ökonomen rechnen mit negativen Folgen. Samuel Tombs, Chefvolkswirt für Großbritannien bei der britischen Denkfabrik Pantheon Macroeconomics, argumentiert hingegen: “Die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft nach der Brexit-Abstimmung deutet darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen politischer Unsicherheit und wirtschaftlicher Aktivität nicht besonders stark ist.” Allerdings komme das Wahlergebnis zu einer Zeit, in der sich das Wachstum bereits abgeschwächt habe.