FRANKREICH HAT GEWÄHLT

Ökonomen warnen vor Euphorie

DZ Bank: Politische Risiken nur aufgeschoben

Ökonomen warnen vor Euphorie

jw Frankfurt – Nach dem deutlichen Wahlsieg Macrons herrscht in Brüssel, Berlin und anderen Hauptstädten Europas Erleichterung. Ökonomen warnen jedoch vor allzu voreiliger Europa- und Macron-Euphorie. Bei den Parlamentswahlen im Juni dürfte der 39-jährige Präsident nur schwer eine Mehrheit gewinnen. Der Anteil der EU- und Globalisierungsgegner im Land ist nach wie vor groß. Zudem stehen die Wahlen in Italien vor der Tür. Ökonomen rufen Macron daher zu schnellen Schritten bei Reformen und Europa zu raschem Handeln bei der Entwicklung wirtschaftspolitischer Konzepte zur Erneuerung der Union auf. Forderungen nach ReformenLaut Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ist “nach der Wahl vor der Wahl”. Er wünscht sich eine beherztere Reformpolitik von Frankreich. Die EU dürfe sich nicht von Wahl zu Wahl hangeln. Europa brauche endlich eine gemeinsame Vision für solide Staatsfinanzen. Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank, warnt: “Die politischen Risiken sind nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Wenn Macron die Wende in Frankreich nicht gelingt, könnte Le Pen in fünf Jahren einen neuen Versuch mit vielleicht höheren Siegeschancen wagen.” Europa brauche nun eine wirtschaftliche Erholung, von der ein Großteil der Gesellschaft profitiert. Auch Bruno Cavalier, Chefvolkswirt von Oddo BHF, merkt an, dass die politische Lage in Frankreich noch nie so zersplittert war: “Es gab viel mehr Nichtwähler oder leere Wahlzettel als in der ersten Runde, was darauf hindeutet, dass ein großer Teil der französischen Wähler nicht mit den Projekten von Macron einverstanden war.”Armin Wambach, Präsident des ZEW, findet: Um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, muss Macron die dringend notwendigen Strukturreformen in Frankreich voranbringen. Seinem Programm zufolge will er die Staatsquote reduzieren, die Unternehmensteuern senken und die Arbeitsmärkte flexibler gestalten. Parallelen zu SchröderMarcel Fratzscher sieht Macron dabei vor ähnlich großen Herausforderungen wie Gerhard Schröder als Bundeskanzler vor 15 Jahren. “Er muss harte Wirtschaftsreformen anstoßen und einen Mentalitätswandel herbeiführen, aber auch über 40 % der Wählerinnen und Wähler mitnehmen, die in der ersten Wahlrunde für links- oder rechtsextreme Kandidaten gestimmt haben und alle die, die sich enthalten haben”, so der DIW-Präsident.Auch an die Bundesregierung sprechen die Ökonomen Empfehlungen aus. Macron hat Deutschland im Wahlkampf mehrmals für seine Wirtschaftspolitik – die Investitionsschwäche, den Handelsüberschuss und die restriktive Finanzpolitik – kritisiert. Die Bundesregierung müsse sich nun offener gegenüber gerechtfertigter Kritik aus Europa und Frankreich zeigen, so Marcel Fratzscher. “Sie sollte diese Kritik konstruktiv annehmen und daran arbeiten, für das Wohl Europas als Ganzes und im Eigeninteresse ihren Beitrag dafür zu leisten, dass sich die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa zurückbilden.”Für die Europäische Währungsunion wünscht sich Frankreichs neuer Präsident mehr Gemeinschaftshaftung und mehr Umverteilung. Ifo-Chef Clemens Fuest findet, gerade deshalb sei es wichtig, dass Deutschland eigene Konzepte zur Weiterentwicklung der Eurozone vorschlägt, um für die anstehenden Gespräche vorbereitet zu sein.