IM BLICKFELD

Olaf Scholz' Erbe in Hamburg

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 22.3.2018 Als die HSH Nordbank tief in der Krise steckte und der Bau der Elbphilharmonie für Hamburg zu einem Planungs- und Finanzdesaster geworden war, kam es 2011 zum bislang letzten Regierungswechsel...

Olaf Scholz' Erbe in Hamburg

Von Carsten Steevens, HamburgAls die HSH Nordbank tief in der Krise steckte und der Bau der Elbphilharmonie für Hamburg zu einem Planungs- und Finanzdesaster geworden war, kam es 2011 zum bislang letzten Regierungswechsel in der Hansestadt. Olaf Scholz übernahm für die SPD die Aufgaben des Ersten Bürgermeisters. Mittlerweile hat die lange für unveräußerbar gehaltene Landesbank neue Eigentümer aus dem Lager der Finanzinvestoren gefunden, und nach der Eröffnung des Besucher- und Touristenmagneten “Elphi” Anfang 2017 ist von der Kostenexplosion zulasten Hamburgs praktisch keine Rede mehr. Im UmfragetiefDoch könnte sich bei der nächsten Wahl 2020 ein erneuter Regierungswechsel vollziehen: Jüngsten Umfragewerten zufolge würde die SPD, die beim Urnengang 2015 knapp 46 % der Stimmen erhielt, aber eine rot-grüne Koalition formen musste, derzeit nur noch bei 28 % landen – ein historisches Tief. Für die Sozialdemokraten wird sich in den kommenden zwei Jahren die Frage stellen, ob sich mit Peter Tschentscher Wahlen gewinnen lassen. Der seit 2011 amtierende Finanzsenator soll in wenigen Tagen, am 28. März, als Erster Bürgermeister Nachfolger von Scholz werden, der in der neuen Bundesregierung den Posten des Finanzministers und Vizekanzlers übernommen hat.Die Opposition in der Bürgerschaft wittert Morgenluft. Die Hamburger Wirtschaft wachse schwächer als die anderer Bundesländer, der Hafen lahme seit Jahren, die Elbvertiefung sei weiter nicht in Sicht, moniert CDU-Fraktionschef André Trepoll. Mit Tschentscher habe sich die SPD für eine Notlösung entschieden. Zahlen zu verwalten sei das eine, zu gestalten, inhaltliche Impulse zu liefern und die Menschen dabei mitzunehmen das andere. Doch ist bei der Union, die 2015 selbst mit knapp 16 % ihr bislang schlechtestes Wahlergebnis in Hamburg verbuchte, bislang nicht erkennbar, wer den studierten Mediziner Tschentscher – sollte dieser denn als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten 2020 antreten – herausfordern wird. Und an der SPD vorbeigezogen ist die Partei auch in der aktuellen Umfrage noch nicht. Hamburg bekomme mit dem 52 Jahre alten Bremer den angesehensten Senator als Bürgermeister, meinte der bisherige Amtsinhaber Scholz kurz vor seinem Abschied zu der überraschenden Entscheidung für Tschentscher. Lange hatte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel (43), der nun Finanzsenator werden soll, als Favorit für die Nachfolge gegolten. Dieser sagte jedoch ebenso wie Sozialsenatorin Melanie Leonhard (40), die künftig die SPD in dem Stadtstaat führt, aus familiären Gründen ab. “Mehr Dialog”Von Tschentscher wird erwartet, dass er den sachlich orientierten, auf Haushaltsdisziplin ausgerichteten Kurs von Scholz fortsetzen wird. Für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen und das öffentliche Verkehrssystem sowie Wissenschaft und Forschung zu stärken, führte der designierte Bürgermeister bereits als dringende Aufgaben an – und “mehr Dialog” mit den Bürgern zu führen. Einen Namen muss sich der in Lokalmedien als “Asket, Zahlenmensch und Arbeitstier” beschriebene Tschentscher verglichen mit Scholz, dessen Engagement weit über die Stadtgrenzen hinaus Hamburg in den vergangenen Jahren zugutekam, noch machen. Dabei könnte hinderlich sein, dass er sich von seinem Vorgänger auch in politischen Stilfragen nicht gravierend unterscheidet. Als geradlinig und effektiv agierender Fachpolitiker hat er sich Anerkennung erworben, als begnadeter Redner trat Tschentscher nicht in Erscheinung. “Der zweite Scholz”, betitelte das “Hamburger Abendblatt” einen Leitartikel über den Wechsel zu Tschentscher, dem es wegen der großen Nähe zu seinem Vorgänger schwerfallen dürfte, sich zu profilieren. Als größte Makel in dessen Amtszeit gelten die bei einem Referendum im November 2015 gescheiterte Olympia-Bewerbung Hamburgs sowie das von Gewaltexzessen begleitete Gipfeltreffen der G 20-Staaten im Juli vergangenen Jahres.