Old Boys fürchten um Europa

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 8.5.2019 Ganz so alt sind sie noch nicht, gemeinsam ist ihnen aber, dass keiner von ihnen derzeit ein politisches Amt innehat. Norbert Lammert (CDU), Bundestagspräsident a.D., die früheren Bundesminister...

Old Boys fürchten um Europa

Von Angela Wefers, Berlin Ganz so alt sind sie noch nicht, gemeinsam ist ihnen aber, dass keiner von ihnen derzeit ein politisches Amt innehat. Norbert Lammert (CDU), Bundestagspräsident a.D., die früheren Bundesminister Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück (beide SPD) sowie der Beinah-CDU-Vorsitzende Friedrich Merz setzten sich in Berlin einträchtig vor die Presse mit einem gemeinsamen Anliegen. Sie warben dafür, am 26. Mai zur Europawahl zu gehen und den Staatenbund nicht rückwärtsgewandten Nationalisten zu überlassen. Populisten machten in vielen Ländern gegen Europa mobil und wollten das zerstören, was Europäer und Europäerinnen in vielen Jahrzehnten geduldiger Zusammenarbeit erreicht hätten, heißt es in einem Aufruf der Deutschen Nationalstiftung, die – anders als ihr Name es nahelegen könnte – gar nicht nur deutsch denkt, sondern sich ganz im Sinne eines ihrer Gründer, des verstorbenen Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD), für eine dauerhafte Friedensordnung in Europa einsetzt. Die vier Old Boys der deutschen Politik hielten für diesen guten Zweck der Stiftung ihre bekannten Gesichter in die Kameras.”Die Deutsche Nationalstiftung sieht Europa in Gefahr”, heißt es wenig ermunternd im Aufruf der Stiftung. Der Wahlaufruf appelliert aber zugleich an “Verstand” und “Herzen”, die “Idee der deutschen Nation” und “Bestimmung unserer nationalen Identität” weder “extremen politischen Kräften noch den Gegnern der europäischen Integration” zu überlassen.Weil es sich so ganz ohne Amt ungenierter lebt, gingen die Galionsfiguren der deutschen Politik gleich mit der schwarz-roten Regierung ins Gericht. Steinbrück nannte das europapolitische Engagement der großen Koalition “ziemlich enttäuschend”. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron habe auf seine diversen Reden zur Zukunft Europas zumindest eine Antwort verdient. Gabriel konstatierte, als Einzige ein klares Profil zeigten derzeit die Antieuropäer. Die Macron-Vorschläge könne man gut oder falsch finden, man müsse sich aber dazu positionieren. Merz formulierte zurückhaltender, aber in der Sache ähnlich. “Ich verfalle nicht gerade in Euphorie” mit Blick auf das Wirken der großen Koalition.Vorschläge, wie ein Europa der Zukunft aussehen könnte, wollten die Old Boys bewusst nicht machen, konnten es dann aber doch nicht ganz lassen. Mit Blick auf die Spannungen mit den USA riet Merz zu einer geschlossenen Haltung der EU und einer Reduzierung der Abhängigkeit vom Dollar. Steinbrück warb dafür, den Paradigmenstreit zwischen Berlin und Paris aufzulösen und die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu festigen: Deutschland hänge am Paradigma der Haftung, Frankreich an dem der Vergemeinschaftung. Dazu gebe es gute gemeinsame Vorschläge von Ökonomen beider Länder. Wichtig sei die Kapitalmarktunion. Einig waren sich die vier auch in noch einem Punkt. Zu mehr Integration komme Europa nicht über die Reform seiner Institutionen: EU-Vertragsänderungen durchzusetzen, das sei einfach aussichtslos.—- Lammert, Gabriel, Steinbrück und Merz rufen dazu auf, zur Europawahl zu gehen.—-