Operation Gold-Verschickung

Von Stephan Lorz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 10.2.2017 Gold ist ein magisches Metall. Es hat seit jeher ungeheure Faszination auf die Menschen aller Kulturkreise ausgeübt, gilt als Inbegriff für Glück, Reichtum und Macht. Sein intrinsischer Wert...

Operation Gold-Verschickung

Von Stephan Lorz, FrankfurtGold ist ein magisches Metall. Es hat seit jeher ungeheure Faszination auf die Menschen aller Kulturkreise ausgeübt, gilt als Inbegriff für Glück, Reichtum und Macht. Sein intrinsischer Wert ergibt sich durch seine relative Seltenheit und durch die hohe Arbeitsleistung, die zu seiner Förderung nötig ist. Deswegen ist es in der Vergangenheit auch gern als Deckung für die nationale Währung hergenommen worden.Das erklärt auch die Emotionalität, die in der Debatte um die Zukunft des Bundesbankgolds zuweilen an den Tag gelegt wurde. Zumal es sich hier um für Privathaushalte schier unvorstellbare Größenordnungen handelt: 3 378 Tonnen dieses edlen Metalls besitzt die Bundesbank zu einem aktuellen Wert von rund 120 Mrd. Euro – lagernd in Frankfurt, New York, London und Paris. Nur ein Drittel des Goldes war dabei in Deutschland untergebracht.Die Debatte um die Verteilung des Goldes scheint nun beendet. Die Bundesbank konnte vermelden, dass die geplante Goldverlagerung aus New York erfolgreich abgeschlossen werden konnte, und das Lager bei der französischen Notenbank in Paris wird bis Ende dieses Jahres ganz aufgelöst. Dann wird die Hälfte des deutschen Goldschatzes in Frankfurt sein, nur noch 37 % bleiben in New York und 13 % in London – aus Gründen der Diversifikation und der Handelbarkeit. London ist schließlich der größte Goldhandelsplatz weltweit und sorgt insofern für das nötige Monetisierungspotenzial.Die Diskussion über die Notwendigkeit ausländischer Lagerorte hatte 2012 begonnen. Seinerzeit kamen Gerüchte auf, dass die in den Büchern stehenden Goldbestände physisch womöglich gar nicht existierten. “Wo ist das Gold der Deutschen?”, fragte der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler in einem Zeitungsartikel und löste damit eine ganze Welle von Mutmaßungen aus. Erschüttert reagierten die Deutschen auch auf die Feststellung des Bundesrechnungshofs, wonach die Bundesbank die deutschen Goldreserven im Ausland wohl “noch nie” auf Echtheit und Gewicht geprüft habe. Schließlich lehnten die Notenbanken in London und Paris noch den Wunsch von Bundestagsabgeordneten ab, die Goldbestände einmal in Augenschein nehmen zu dürfen. Vorausgegangen war der Diskussion eine große Geheimniskrämerei der Bundesbank, die Verschwörungstheorien regelrecht ins Kraut hat schießen lassen. Eine Bürgerinitiative forderte: “Holt unser Gold heim!”Dass der Großteil des deutschen Goldes überhaupt im Ausland lagert, hatte historische Gründe. Der Löwenanteil wurde im Rahmen des Währungsabkommens von “Bretton Woods” in die Tresore gespült. Die Währungskurse waren festgelegt, und so wurden die in der Weltwährung Dollar anfallenden Leistungsbilanzüberschüsse in Gold überschrieben. In den Wirtschaftswunderjahren und bis zum Zusammenbruch des Bretton-Woods-System erhöhten sich die deutschen Goldreserven damit auf bis zu 4 000 Tonnen.So hohe Goldreserven, die sich spielend monetisieren lassen, haben natürlich auch Begehrlichkeiten geweckt. 1997 etwa wollte der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel die Bundesbank zwingen, die Goldreserven zu Marktpreisen zu bewerten und den Buchgewinn auszuschütten. In der Öffentlichkeit war von der “Operation Goldfinger” die Rede. Die Bundesbank weigerte sich aber hartnäckig – und erfolgreich. 2001 forderte die FDP, mit dem Verkauf eines Teils des Goldes eine Kulturstiftung zu errichten. 2003 wollten Unionsabgeordnete damit eine Steuersenkung “vorfinanzieren”, und aus der SPD hieß es, die Mittel könne man entweder zum Schuldenabbau oder für ein höheres Grundkapital der KfW-Bank hernehmen.2003 schlug Ex-Bundespräsident Roman Herzog vor, das Gold für die Sanierung der Pflegeversicherung zu nutzen. Und 2004 sinnierte Ex-Bundesbankpräsident Ernst Welteke darüber, es für Bildung und Forschung in Deutschland einzusetzen, stellte aber klar, dass das Gold nie dem laufenden Bundeshaushalt zunutze gemacht werden dürfe. Auch der spätere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hielt das damals für sinnvoll. Später kamen immer neue Ideen auf, wie die Goldreserven genutzt werden könnten. Denn andere Zentralbanken wie die Schweizerische Notenbank (SNB) haben einen großen Teil ihres Goldes bereits zu Geld gemacht und ausgeschüttet. Zur Beruhigung der GemüterDie auswärtigen Goldlager der Bundesbank waren im Kalten Krieg aus Sicherheitsgründen noch sinnvoll gewesen, inzwischen aber hat sich die Lage geändert. Und nach der Golddebatte begann die Bundesbank mit der Verlagerung großer Teile des Bestandes nach Frankfurt. Das beruhigte auch insofern viele Gemüter, weil nebenbei festgestellt werden konnte: das Gold ist tatsächlich vorhanden, und es weist auch die angegebene Werthaltigkeit auf. Eine Inventur bestätigte die Buchhaltung, und das Prüfen jedes Barrens mit modernster Technik zeigte, dass auch das Material einwandfrei ist.Bleibt aber die Frage, welche Funktion Goldreserven heute überhaupt noch erfüllen. Bundesbankdirektor Carl-Ludwig Thiele verweist auf dessen Rolle zur Vertrauensbildung. Das gibt der Währung den nötigen Rückhalt. Zugleich übt seine universelle Akzeptanz im Krisenfall eine beruhigende Wirkung aus. Insofern setzen die Notenbanker wie seit jeher – ob nun mit oder ohne tatsächliche Golddeckung – nach wie vor auf die magische Wirkung dieses edlen Metalls. Den Begehrlichkeiten, die immer aufkommen, wenn große Finanzreserven offenbar werden, dürfte das neue Lagerkonzept indes kein Ende setzen. ——–Die Bundesbank hat die Goldverlagerung aus New York erfolgreich abgeschlossen.——-