Opposition lehnt Neuwahlen ab

Spekulationen über Rücktritt von britischem Premier Johnson - Klage von Miller niedergeschlagen

Opposition lehnt Neuwahlen ab

Die britische Opposition hat angekündigt, am Montag einen weiteren Antrag der Regierung abzulehnen, der Neuwahlen einleiten soll. Labour, Liberaldemokraten, Grüne, schottische und walisische Nationalisten wollen sichergehen, dass Boris Johnson erst eine Verlängerung der Austrittsfrist erbitten muss.hip London – Die britischen Oppositionsparteien werden Premierminister Boris Johnson auch am Montag die Zustimmung zu Neuwahlen am 15. Oktober versagen. “Angesichts des Verhaltens des Premierministers und seiner Berater müssen wir absolut sicher sein können, dass wir nicht in eine Situation geraten, in der die Wahlen zur Ablenkung dienen, während sie uns durch irgendeine durchtriebene List ohne einen Deal aus der EU bugsieren”, sagte Emily Thornberry, die im Falle eines Wahlsieges von Labour Außenministerin würde. Die Chance auf Neuwahlen sei natürlich sehr attraktiv. Zuerst gelte es aber, die Krise zu lösen, die unmittelbar vor einem liege. Oppositionsführer Jeremy Corbyn hielt am Freitagmorgen eine Telefonkonferenz mit den Chefs der anderen Parteien ab. Liberaldemokraten und die schottischen Nationalisten (SNP) wollen Johnsons Wunsch auf schnelle Neuwahlen ebenfalls nicht unterstützen.Zu den Gründen, aus denen die Gegner der Tories einen späteren Wahltermin anstreben, dürften Umfragewerte gehören, die auf eine deutlich wachsende Unterstützung für Nigel Farages Brexit Party hindeuten, falls das Land über den 31. Oktober hinaus in der EU bleiben muss. Einer Umfrage des Marktforschers ICM für “Represent Us” zufolge könnte sich die Partei von 9 % auf 18 % verbessern. Damit wäre das Lager der Austrittsbefürworter gespalten, ein Wahlsieg der Tories würde unwahrscheinlicher. Der “Telegraph” geht für den Fall eines Wahltermins nach dem 31. Oktober von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Tories und Labour aus.Unterdessen verabschiedete das Oberhaus das von Hilary Benn (Labour) vorgeschlagene Gesetz, das eine Verlängerung der EU-Austrittsfrist sicherstellen soll. Die Lords nahmen keine Veränderungen vor, denen das Unterhaus noch zustimmen müsste. Es muss also nur noch von der Königin abgesegnet werden – eine reine Formalität. Damit ist aus Sicht der Brexit-Gegner sichergestellt, dass Großbritannien die EU nicht am Ende der Frist ohne jede Übereinkunft mit Brüssel verlassen wird. Johnson will nicht bettelnJohnson nannte eine weitere Verlängerung “sinnlos”. Bei einem Auftritt in Schottland sagte er, dass er Brüssel nicht um einen erneuten Aufschub bitten werde, auch wenn das Gesetz rechtskräftig werden sollte. Am Tag zuvor hatte er behauptet, lieber in einem Graben sterben zu wollen, als eine Fristverlängerung zu erbetteln, was prompt Spekulationen über einen Rücktritt auslöste. Zu den möglichen Optionen Johnsons gehört ein Rücktritt vom Amt des Premierministers, ohne jedoch die Parteiführung abzugeben. Dann wäre Corbyn als Oppositionsführer gezwungen, den Bittgang nach Brüssel anzutreten. Und Johnson könnte auf dem Tory-Parteitag Ende September seine Getreuen um sich scharen, um wieder zum Angriff überzugehen. Damit wäre auch die Frage gelöst, was er in sein für den 14. Oktober angesetztes Regierungsprogramm (Queen’s Speech) hineinschreiben soll, kommentierte David Owen, Chefvolkswirt für Europa bei der US-Investmentbank Jefferies süffisant.Aus der Downing Street hieß es, Johnson habe nicht vor, von seinem Posten als Premier zurückzutreten. Philippe Waechter, Chefvolkswirt des französischen Investmenthauses Ostrum Asset Management (zuvor: Natixis Asset Management), gab zu bedenken, dass man die Fristverlängerung über den 31. Oktober hinaus nicht ohne den Verhandlungspartner planen sollte. “Solange es in Großbritannien keine klare Mehrheit gibt, die in der Lage ist, zu entscheiden, täte Europa gut daran, eine zusätzliche Verzögerung zu unterbinden”, sagt Waechter. Um Unklarheiten zu beseitigen, sei ein neues Referendum notwendig.Unterdessen fuhren die Investmentmanagerin Gina Miller, die bereits gegen das Brexit-Vorgehen der Regierung May geklagt und gewonnen hatte (vgl. BZ vom 25.1.2017), und John Major vor dem Londoner High Court eine Niederlage ein. Die Brexit-Gegnerin und der ehemalige Premierminister wollten die von Johnson angekündigte “Prorogation” für unrechtmäßig erklären lassen. Dabei handelt es sich um eine vorzeitige Beendung der Sitzungsperiode durch ein Machtwort der Queen.Die Richter wiesen ihre Klage ab. Miller will nun vor den Supreme Court ziehen. Sie sei enttäuscht, werde “den Kampf für die Demokratie” aber nicht aufgeben. Ein ähnliches Verfahren, das 75 Ober- und Unterhausabgeordnete in Edinburgh angestrengt hatten, wurde schon früher niedergeschlagen.