DEUTSCH-FRANZÖSISCHE INITIATIVE

Österreich geht auf Gegenkurs zu Berlin und Paris

Kurz beharrt auf Krediten statt Zuschüssen bei der Wiederbelebung von Europas Wirtschaft - Brinkhaus stellt sich hinter Merkel

Österreich geht auf Gegenkurs zu Berlin und Paris

ahe/wf/rec Brüssel/Berlin – Der deutsch-französische Vorstoß zur Finanzierung eine Europäischen Wiederaufbaufonds über 500 Mrd. Euro ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz ging auf Distanz. Er kündigte einen Gegenentwurf mehrerer Länder zum deutsch-französischen Plan an, meldet die Nachrichtenagentur dpa-afx. Das Gegenpapier solle “in den nächsten Tagen” vorgelegt werden. “Wir glauben, dass es möglich ist, die europäische Wirtschaft anzukurbeln und dennoch eine Vergemeinschaftung der Schulden zu vermeiden”, sagte der Kanzler laut dpa-afx.Kurz hatte sich am Vormittag nach eigenem Bekunden mit seinen Amtskollegen aus den Niederlanden, Schweden und Dänemark ausgetauscht. In einer ersten Reaktion hatte er Unterstützung Österreichs in der Corona-Pandemie zugesagt, aber darauf beharrt, dass die Hilfe an die besonders gebeutelten EU-Länder als Kredit und nicht als Zuschuss vergeben wird. Zustimmung kam dagegen aus Italien und Spanien.Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) startete am Dienstag die Werbetour für den Wiederaufbaufonds, den sie tags zuvor mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron vorgestellt hatte. In einer Videokonferenz tauschte sie sich mit den Visegrád-Staaten – Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn – auch über dieses Thema aus. Die Kanzlerin habe die wesentlichen Punkte der deutsch-französischen Initiative erläutert, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert ohne weitere Bewertung mit. Deutschland übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft. Die Vorbereitung für den EU-Wiederaufbaufonds wird damit in deutscher Regie liegen.In Berlin gab CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus der Kanzlerin Rückendeckung. “Es ist gut und richtig, dass Deutschland und Frankreich einen gemeinsamen Vorschlag für einen Wiederaufbaufonds haben”, sagte der CDU-Politiker laut Reuters. “Dieser Vorschlag zeigt: Europäische Solidarität funktioniert auch ohne Vergemeinschaftung von Schulden.” Kritisch äußerte sich CSU-Wirtschaftsexperte Hans Michelbach, der befürchtet, die gesamtschuldnerische Haftung könne noch durch die Hintertür eingeführt werden.Das deutsch-französische Modell sieht vor, dass die nationalen Parlamente dem Fonds zustimmen müssen, denn sie geben einen Teil ihrer haushalterischen Souveränität auf. SPD, Grüne und Linke signalisierten Zustimmung, die AfD hielt dagegen. Offen blieb in diesem frühen Stadium, wie der Bundeshaushalt durch die Finanzhilfen belastet wird. Deutschland schultert rund 125 Mrd. Euro des gesamten Finanzierungsvolumens. Es wird von der konkreten Ausgestaltung des Modells abhängen, wie die jährliche Rate ausfällt.Aus der EU-Kommission begrüßte Vizepräsident Valdis Dombrovskis den deutsch-französischen Vorschlag. Er kündigte für die nächste Woche einen EU-Plan der Kommission über 1 Bill. Euro zur Wiederbelebung der Wirtschaft an, bestehend aus Krediten und Garantien. Auch ein Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel äußerte sich positiv.Ifo-Präsident Clemens Fuest forderte, die Ausgaben müssten einen Mehrwert zu den Programmen der Mitgliedstaaten bieten, etwa in Form einer Versicherungs- und Stabilisierungswirkung. Die Schuldenfinanzierung des Fonds solle einmalig bleiben und mit einem Tilgungsplan einhergehen. Jakob von Weizsäcker, Chefvolkswirt im Bundesfinanzministerium, sieht in dem Paket ein wichtiges Signal an die Finanzmärkte: “Niemand muss ängstlich werden, dass einige Länder angesichts ihrer fiskalischen Lage nicht mit dieser unverschuldeten Krise umgehen können”, sagte Weizsäcker in einem Webinar des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung Safe. Das Paket ersetze aber nicht eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik.