PERSONEN

Pedro Sánchez zwischen den Stühlen

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 12.2.2019 Nächste Woche erscheint ein neues Buch von Pedro Sánchez. "Manual de resistencia" lässt sich mit "Anleitung zum Widerstand", aber auch "Anleitung zum Durchhaltevermögen" übersetzen. Darüber kann...

Pedro Sánchez zwischen den Stühlen

Von Thilo Schäfer, Madrid Nächste Woche erscheint ein neues Buch von Pedro Sánchez. “Manual de resistencia” lässt sich mit “Anleitung zum Widerstand”, aber auch “Anleitung zum Durchhaltevermögen” übersetzen. Darüber kann der Ministerpräsident Spaniens in der Tat viel erzählen. Nach seinem gescheiterten Versuch vor drei Jahren, den konservativen Mariano Rajoy aus dem Amt zu drängen, wurde Sánchez zunächst von der Führung der sozialistischen Partei geschasst, nur um danach bei Urwahlen von der Basis erneut zum Generalsekretär der PSOE erkoren zu werden. Im Juni letzten Jahres dann kippte der 46-Jährige die Rajoy-Regierung durch ein Misstrauensvotum im Parlament.Nun naht der entscheidende Moment der kurzen Amtszeit des Sozialisten. Am Mittwoch droht der reichlich verspätete Haushalt 2019 im Unterhaus zu scheitern. Das würde höchstwahrscheinlich zu vorgezogenen Neuwahlen führen. Am Montag hegte die sozialistische Minderheitsregierung noch die Hoffnung, dass die beiden separatistischen Parteien aus Katalonien im allerletzten Moment doch noch einlenken und dem Haushalt die notwendigen Stimmen ihrer insgesamt 17 Abgeordneten im nationalen Parlament geben würden.Sánchez ist zwischen die Fronten geraten. Die katalanischen Separatisten, die ihm beim Misstrauensvotum an die Macht verholfen hatten, fordern für ihre Unterstützung einen hohen Preis. Der promovierte Volkswirt hat im Gegensatz zu Rajoy von Beginn an auf einen Dialog mit den Nationalisten gesetzt, die mit 47 % der Stimmen in Katalonien die Regierung stellen. Deren Hauptanliegen, ein verbindliches Referendum über die Unabhängigkeit, ist jedoch auch für Sánchez ein Tabu. Im Haushaltsplan ist eine Erhöhung der staatlichen Ausgaben von 68 % für Katalonien vorgesehen. In der Tat hatte der Zentralstaat viele Jahre die Infrastruktur in einem der wirtschaftlich stärksten Landesteile unterfinanziert. Letzte Woche akzeptierte die Regierung dann sogar, dass die Gespräche zwischen Madrid und Barcelona fortan von einer Art Vermittler oder neutralem Moderator geleitet werden sollen. Doch auch dieses Zugeständnis war nicht genug, damit die Katalanen definitiv grünes Licht für den Haushalt gaben. Die Regierung erklärte die Verhandlungen daraufhin letzten Freitag für beendet.Doch die rechte Opposition griff die Idee des Vermittlers als Steilvorlage auf, um Sánchez einmal mehr vorzuwerfen, dass er im Gegenzug für die Stimmen der Separatisten für den Haushalt zu sämtlichen Zugeständnissen bereit wäre. Pablo Casado, der Rajoy an der Spitze der konservativen Volkspartei (PP) beerbte, fuhr schweres Geschütz auf und bezeichnete den Regierungschef unter anderem als “Verräter”, “Hausbesetzer”, “notorischen Lügner”, “unfähig und inkompetent”. Am Sonntag holten die PP, die liberale Ciudadanos und die rechtsradikale Vox Zehntausende Menschen in Madrid auf die Straße, um für die Einheit des Landes und vorgezogene Neuwahlen zu demonstrieren. Dabei war der Schulterschluss mit den Ultrarechten, die das gesamte System der autonomen Regionen abschaffen wollen, sehr umstritten, was den verhältnismäßig bescheidenen Erfolg der Veranstaltung erklären könnte. Neuwahlen nahenSánchez ist sich seines Dilemmas bewusst. “Die Politik erzeugt merkwürdige Bettgefährten. Die Unabhängigkeitsbefürworter werden gegen einen sozialen Haushalt stimmen, der gut für Katalonien ist, und die Rechten gegen einen sozialen Haushalt, der gut für Spanien ist. Könnte es sein, dass beide besser mit der Konfrontation als mit Lösungen leben?”, kommentierte der Ministerpräsident auf Twitter. Auch wenn die Regierung die Hoffnung noch nicht ganz begraben hat, dass die Separatisten im letzten Moment umschwenken, so bereiten sich alle Beteiligten schon für das Szenario vorgezogener Neuwahlen vor. Denn bei Sánchez und seinen Strategen ist die Einsicht gereift, dass man ohne eigenen Haushalt und mit lediglich 84 von 350 Abgeordneten nicht bis zum Ende der Legislaturperiode im Sommer 2020 durchhalten kann.Als mögliche Wahltermine werden der 26. Mai gehandelt, wenn Wahlen zum Europaparlament, für 13 der 17 regionalen Kammern und in allen Kommunen Spaniens anstehen. Auch ein Termin nach dem Sommer wäre denkbar. Am Montag wurden auch der 14. oder der 28. April kolportiert, was andererseits als taktisches Druckmittel auf die Katalanen vor der Abstimmung über den Haushalt interpretiert wurde.Nach dem derzeitigen Stand der Umfragen deutet nicht viel darauf hin, dass bei Neuwahlen deutlich klarere politische Verhältnisse geschaffen werden. Die PSOE liegt vorn, jedoch weit von einer stabilen Mehrheit entfernt, und der natürliche Partner, die Linkspartei Podemos, zerreibt sich gerade in Personaldebatten und Richtungsstreits. Casado und die PP hoffen darauf, dass es für ein Bündnis mit Ciudadanos und den Ultras von Vox reichen könnte, so wie es in Andalusien zustande gekommen ist. Sánchez könnte in den nächsten Wochen die Lehren seines Buches gebrauchen.