Peking hält die Schleusen dicht
Chinas Premier äußert Zuversicht, dass die Wirtschaft auch in diesem Jahr wächst. Einem groß angelegten Konjunkturprogramm erteilt er eine Absage. Der Regierungschef sieht trotz neuerlichen Streits mit den USA über Hongkongs Autonomiestatus keinen Anlass für eine Entkoppelung der beiden Volkswirtschaften. nh Schanghai – China wird alles daransetzen, auch in diesem Jahr trotz der Behinderungen durch die Corona-Pandemie ein positives Wachstum zu erzielen, betonte Premierminister Li Keqiang bei der Abschlusspressekonferenz des chinesischen Volkskongresses. Auch wenn China wegen der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten der Coronakrise in diesem Jahr erstmals darauf verzichte, ein offizielles Ziel für die jährliche Expansion des Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu setzen, bleibe die Wachstumssicherung eine wichtige Aufgabe für die Regierung. Arbeitsplätze im Fokus”China hat noch Spielraum, um die Wirtschaft zu stimulieren, aber wir wollen keine Flutschleusen öffnen”, sagte Li am Donnerstag vor der Presse in Peking. China brauche keinen massiven Stimulus, aber es müsse für eine reichliche Liquiditätsversorgung der Wirtschaft gesorgt werden: “Außergewöhnliche Situationen verlangen nach außergewöhnlichen Maßnahmen”, so der Premier. China habe noch genügend Bewegungsmöglichkeiten für wirtschaftspolitische Anregungsmaßnahmen, sei es auf fiskalischer und monetärer Seite oder auf Ebene der sozialen Sicherungssysteme. Dabei werde es als wichtiger erachtet, Arbeitsplätze zu erhalten und neue anzuregen, als die Wirtschaft mit großen Infrastrukturprojekten anzuschieben. Höheres HaushaltsdefizitWie Li weiter betonte, soll angesichts der wirtschaftlichen Pandemie-Herausforderungen der Fokus der Regierung auf der Sicherung der Beschäftigung, des Finanzsystems, der ausländischen Direktinvestitionen, des Außenhandels und der heimischen Anlageinvestitionen liegen. Dabei werde man neue Maßnahmen in einem angemessenen Zeitrahmen lancieren. Der Regierungschef hatte bei der Vorlage des jährlichen Rechenschaftsberichts zu Beginn des Volkskongresses eine Reihe von Stimulierungsmaßnahmen in Aussicht gestellt, die von Experten auf ein Ausmaß von etwa 4 % des BIP veranschlagt werden. Gleichzeitig soll der Zielrahmen für das Haushaltsdefizit von 2,8 auf 3,6 % erhöht werden. Zudem sind eine Reihe von außerbudgetären Finanzierungsmaßnahmen über die Begebung von Sonderanleihen vorgesehen, die vorwiegend zur Finanzierung von Projekten und Stützungsmaßnahmen auf lokaler Regierungsebene dienen sollen.Angesichts der Tatsache, dass mittlerweile auch in China der Konsum als wesentlicher Wirtschaftstreiber fungiert, soll Chinas Konjunkturpaket in erster Linie darauf gemünzt sein, die private Nachfrage anzuregen. Etwa 70 % der von der Regierung mobilisierten Mittel zur Wirtschaftsunterstützung sollen dazu verwendet werden, die Einkommen der privaten Haushalte zu stärken, um auf diese Weise den Konsum anzuregen und die Märkte zu vitalisieren, sagte der Premier. Bereit zu Kooperation Was das Reizthema des vom Volkskongress am Donnerstag abgesegneten Sicherheitsgesetzes für Hongkong angeht, hielt sich Li relativ bedeckt. Er betonte aber, dass China mit dem Sicherheitsgesetz keinerlei Abkehr von dem für die Sonderverwaltungszone geltenden Prinzip “ein Land, zwei Systeme” anstrebe. Im Gegenteil gehe es darum, mit Hilfe des Gesetzes die langfristige Stabilität des Zwei-Systeme-Modus und der Prosperität Hongkongs zu gewährleisten.Angesichts der erheblichen neuen Spannungen zwischen China und den USA, die das im Ausland scharf kritisierte Sicherheitsgesetz hervorgerufen hat, konzedierte der Premier, dass Chinas Verhältnis zu den USA vor “neuen Herausforderungen” steht. Dennoch sehe er genügend Raum für eine bilaterale Kooperation sowohl in wirtschaftlichen als auch technologischen Fragen. Von chinesischer Seite wende man sich energisch gegen eine “Kalter-Krieg-Mentalität”. Eine Entkoppelung der beiden weltgrößten Volkswirtschaften würde keiner Seite helfen und auch im globalen Maßstab nur Schaden anrichten.