Peking macht Tempo bei Sicherheitsgesetz
nh Schanghai – Das seit Wochen hohe Wellen schlagende chinesische Vorhaben eines eigenen Sicherheitsgesetzes für die Sonderverwaltungszone Hongkong nimmt rascher Konturen an als erwartet. Nach einer Sondersitzung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses ist nun ein erster Gesetzesauszug veröffentlicht worden, der künftig sehr weitreichende Befugnisse der festlandchinesischen Staatsgewalt bei der Ahndung von als sicherheitsrelevant erachteten Aktivitäten von Hongkongern erkennen lässt. Vollendete TatsachenWie aus einer Mitteilung hervorgeht, wird der Ständige Ausschuss bereits am Wochenende eine neue Sitzung abhalten und den Vorschlag dann förmlich absegnen. Dies bedeutet, dass das Sicherheitsgesetz im Eiltempo durchgedrückt wird und bereits zum 1. Juli in Kraft treten könnte. Ursprünglich war damit gerechnet worden, dass das Unterfangen erst bis zum jährlichen großen Parteitag Mitte Oktober auf die Beine gestellt werden würde.Peking verzichtet mit diesem Vorstoß auf sorgfältige Beratungen mit der Hongkonger Regierung und Jurisdiktion und stellt diese wie auch die kritisch eingestellten Stimmen im Ausland in Rekordzeit vor vollendete Tatsachen. Mit der Pekinger Vorgehensweise dürften sich die von zahlreichen westlichen Regierungen und auch der EU geäußerten Befürchtungen über eine weitreichende Unterhöhlung des von China vertraglich zugesagten Autonomiestatus Hongkongs nach dem Prinzip “Ein Land, zwei Systeme” in vollem Ausmaß bewahrheiten.Der jetzt vom Volkskongress als höchstem legislativen Organ in China unterbreitete Vorschlag wird die vage umrissenen Tatbestände des Separatismus, der Subversion, des Terrorismus sowie der “Kollusion mit ausländischen Kräften” als kriminellen Akt unter Strafe stellen. Damit zielt das Gesetzt darauf ab, eigens in Hongkong stationierten chinesischen Sicherheitskräften künftig eine gesetzliche Handhabe zu geben, gegen die seit dem vergangenen Jahr aktive Hongkonger Protest- und Demokratiebewegung vorzugehen. Freiheitsrechte auf dem SpielDer neue Vorschlag lässt eindeutig erkennen, dass die künftigen Vorschriften der alleinigen Interpretations- und Ausführungsgestaltung Pekings unterliegen und die Hongkonger Legislative und laufende Rechtspraxis bei der Handhabung von Protesten komplett aushebeln. Wie aus dem neuen Papier nämlich hervorgeht, wird der Ständige Ausschuss des Volkskongresses bei sämtlichen Auslegungsfragen das letzte Wort behalten und das neue Gesetz die existierende Rechtsprechung in jeglichem Konfliktfall überlagern.Peking hat nun enormen Spielraum bei der Auslegung von Delikten unter dem Rubrum Separatismus, Subversion und nicht zuletzt “ausländische Einmischung”. Damit ist bereits jetzt absehbar, dass bislang in Hongkong garantierte Freiheiten zu Versammlungsrechten, Meinungsäußerung von Individuen wie auch Unternehmen oder Organisationen (u. a. auch auf sozialen Netzwerken), Pressefreiheit und zahlreiche andere Aspekte mit Verweis auf das Sicherheitsgesetz nach dem Gutdünken Pekings unterlaufen oder völlig ausgesetzt werden können.Auch die von Hongkongs Justizministerin Teresa Cheng kürzlich geäußerte Hoffnung, dass über die Verstöße von Individuen und Gruppierungen gegen das Sicherheitsgesetz vor den für ihre Unabhängigkeit gerühmten lokalen Richtern in Hongkong geurteilt wird, hat sich nicht erfüllt. Aus dem Gesetzesvorschlag geht nun nämlich hervor, dass die Pekinger Regierung ein eigenes Sicherheitsbüro in Hongkong eröffnen wird, um die Lokalregierung in diesen Belangen zu “überwachen, lenken und stützen” und sich zunächst der aufkommenden “Kriminalfälle” selber annehmen wird. Dabei wird das Büro in Abstimmung mit den Sicherheitsorganen des Festlandes auch autonom festlegen können, welche Fälle den Hongkonger Gerichtsbarkeiten überlassen werden.