Personeller Umbruch an der EZB-Spitze - Draghi-Nachfolger gesucht

Drei der sechs Direktoriumsposten sind bis Ende 2019 neu zu besetzen - QE-Architekten scheiden aus - Einfluss auf kurzfristigen Kurs und langfristige Strategie

Personeller Umbruch an der EZB-Spitze - Draghi-Nachfolger gesucht

Von Mark Schrörs, FrankfurtDie Europäische Zentralbank (EZB) steht 2019 nicht nur vor wichtigen geldpolitischen Entscheidungen – sondern auch vor großen personellen Umwälzungen: Bis Ende des Jahres scheiden gleich drei der sechs Direktoriumsmitglieder aus – und zwar alles geldpolitische Schwergewichte. Namentlich sind das Chefvolkswirt Peter Praet, Benoît Coeuré, der für Märkte zuständig ist, und – allen voran – EZB-Präsident Mario Draghi. Die drei gelten nicht zuletzt als Architekten des Anleihekaufprogramms (Quantitative Easing, QE).Die Entscheidung über die Nachfolge von EZB-Chefvolkswirt Praet, dessen Amtszeit Ende Mai endet, soll bereits in Kürze fallen. Die Euro-Finanzminister wollen auf ihrem Treffen am 11. Februar ihren Kandidaten für die Praet-Nachfolge bestimmen. Formell ernannt wird der Nachfolger dann aller Voraussicht nach auf dem EU-Gipfel am 21. und 22. März. Neuer Chefökonom gebrauchtFormal fällt die Entscheidung zwar nur darüber, wer dem Belgier Praet im Direktorium folgt. Die genaue Ressortverteilung ist dann eigentlich Sache des Gremiums selbst. Aber zumal angesichts der aktuellen Besetzung des Direktoriums richten sich die Blicke schon stark auf Kandidaten, die Praet auch als Chefvolkswirt ersetzen könnten. Nicht zuletzt deshalb gilt seit längerem Irlands Zentralbankchef Philip Lane als heißester Anwärter (vgl. unter anderem BZ vom 23.3.2018). Lane, seit November 2015 an der Spitze der Notenbank, genießt einen exzellenten Ruf als Ökonom. Das Ranking von RePEc (Research Paper in Economics) listet ihn unter den Top-5-Prozent der Ökonomen weltweit. Auch im EZB-Rat genießt er viel Anerkennung. Ein weiteres Plus: Irland ist das einzige Euro-Gründungsland, das noch nie im Direktorium vertreten war. Beobachtern gilt Lane als geldpolitische “Taube”, also als Verfechter einer eher lockeren Geldpolitik – so wie Praet.Danach steht dann eine noch größere Entscheidung an, nämlich jene über die Nachfolge Draghis, dessen Amtszeit Ende Oktober endet. Diese Entscheidung dürfte aber nicht vor der Europawahl im Mai fallen. Lange Zeit galt Bundesbankpräsident Jens Weidmann als Top-Kandidat. Deutschland war als einziges der drei größten Euro-Länder noch nicht am Zug. Zudem können im EZB-Rat nur wenige mit Weidmanns Expertise mithalten. Im Euro-Süden aber stößt er auf Widerstand. Zudem greift mit dem CSU-Europaabgeordneten Manfred Weber ein Deutscher nach dem Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Sollte Weber das schaffen, hätte Weidmann keine Chance mehr, den Italiener Draghi zu beerben.In dem Fall setzen viele auf Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau. Mit Jean-Claude Trichet stand aber bereits ein Franzose an der EZB-Spitze. Am Ende könnte so auch die Stunde eines Kompromisskandidaten schlagen. Neben dem Namen Lane, der bei einer Berufung als Praet-Nachfolger aber nicht mehr in Frage käme, fallen da häufig die Namen der Zentralbankchefs Klaas Knot (Niederlande) und Olli Rehn (Finnland). Auch Finnlands Ex-Notenbankchef Erkki Liikanen gilt einigen als eine Option. Nationalität spielt eine RolleEnde Dezember endet dann auch die Amtszeit von Coeuré. Wer ihm nachfolgt, wird auch stark davon abhängen, wer zuvor zum Zuge gekommen ist – schließlich geht es bei EU-Topjobs immer auch um die Nationalität.Wer letztlich ins Direktorium einzieht, wird nicht nur großen Einfluss haben auf den geldpolitischen Kurs. Die Entscheidungen dürften auch weit reichende Implikationen haben für die Rolle, die die EZB in einer künftigen Krise in Euroland zu übernehmen bereit ist. In der Euro-Schuldenkrise ist sie immer wieder für die Politik in die Bresche gesprungen. Dabei hat sie ihr Mandat aber mindestens bis zum Äußersten gedehnt – wenn nicht teils überzogen.Die neuen Euro-Hüter dürften zudem stärker eine grundsätzliche Debatte über die künftige EZB-Strategie führen. In den USA debattieren Notenbanker intensiv über die Höhe des Inflationsziels, eine Abkehr vom Inflation Targeting oder die künftige Höhe der Zentralbankbilanz. Solche Debatten wird auch die EZB künftig noch stärker führen müssen.