Planlos in den Brexit

Internes Dokument kritisiert Grabenkämpfe im Kabinett von Theresa May - Neue Attacke auf globale Elite

Planlos in den Brexit

hip London – Wenn es darum geht, wie der Austritt aus der EU bewerkstelligt werden soll, ist das Kabinett von Theresa May einem internen Dokument zufolge tief zerstritten. Auf der einen Seite befänden sich “die drei Brexiteers”: Außenminister Boris Johnson, der für das Thema Brexit zuständige Staatssekretär David Davis und der für internationale Handelsthemen verantwortliche Liam Fox, zitiert die “Times” aus einem von einem externen Berater angefertigten “Brexit Update” vom 7. November. Ihnen stünden Schatzkanzler Philip Hammond und Wirtschaftsminister Greg Clark gegenüber. Dem Verfasser zufolge könnte es weitere sechs Monate dauern, bis sich die Regierung auf ihre Prioritäten verständigt. Es gebe weder einen Plan noch eine gemeinsame Strategie. Ein Sprecher von 10 Downing Street wies die in dem Papier gemachten Behauptungen zurück. Es handele sich nicht um ein offizielles Dokument. Ein Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte habe es verfasst.Johnson sagte auf dem Weg zum Amtssitz der Premierministerin, das Kabinett sei sich “vollkommen einig”, was die Herangehensweise an den Brexit angehe. Mehr als 500 ProjekteIn dem Papier wird May ausdrücklich dafür kritisiert, Entscheidungen an sich zu ziehen und Dinge selbst zu regeln. Die Premierministerin hatte angekündigt, Artikel 50 des Vertrags von Lissabon bis Ende März 2017 in Anspruch zu nehmen und damit den Austrittsprozess formal einzuleiten. In Whitehall werde derzeit an mehr als 500 Projekten mit Brexit-Bezug gearbeitet, heißt es in dem Dokument. Das lasse sich mit dem derzeitigen Personalbestand kaum stemmen. Zwischen 10 000 und 30 000 zusätzliche Mitarbeiter würden benötigt. Die Ministerien hätten Probleme damit, die Auswirkungen des EU-Austritts auf die Wirtschaft zu erfassen. Das liege zum einen an einem relativ niedrigen Wissensstand, zum anderen an der Fragmentierung der Zuständigkeiten. Das Schatzamt kümmere sich um die Finanzbranche, sowohl Wirtschafts- als auch Gesundheitsministerium um die großen Pharmaunternehmen. Die Telekomkonzerne liegen wiederum beim Ministerium für Kultur, Medien und Sport. Es sei damit zu rechnen, dass andere Unternehmen dem Beispiel von Nissan folgen und die Regierung unter Druck setzen werden.Brexit-Befürworter unter den Tory-Abgeordneten unterstellten, dass das Dokument nicht zufällig bekannt wurde. Er glaube nicht, dass das ein Unfall war, sagte etwa der ehemalige Arbeitsminister Iain Duncan Smith. “Sie wollten so viel Schaden wie möglich anrichten.” Man brauche keine Berater, die gegen den Brexit sind und versuchen, ihn zu untergraben”, sagte John Redwood. David Sproul, der Chef von Deloitte in Großbritannien, hatte sich vor dem Referendum für den Verbleib in der EU starkgemacht. Man könne den Austritt schneller, besser und billiger bewerkstelligen, als die Berater dächten, sagte Redwood.May machte sich unterdessen bei ihrer traditionellen Ansprache an die Finanzbranche im Londoner Mansion House für die Verlierer der Globalisierung stark. “Veränderung liegt in der Luft”, sagte sie. “Und wenn die Menschen Veränderungen wollen, müssen Politiker darauf reagieren.” Der Wahlsieg von Donald Trump in den USA zeige, dass man die Sorgen derjenigen ernst nehmen müsse, die fürchten, dass ihnen Liberalisierung und Freihandel mehr Nachteile als Vorteile brächten. Diese Menschen lebten oft mit niedrigen oder mittleren Einkommen in reichen Ländern wie Großbritannien. “Sie sehen wie ihre Arbeitsplätze ins Ausland verlagert und Löhne gedrückt werden”, sagte sie in der Residenz des Lord Mayor der City of London. “Sie sehen, wie sich die Gemeinden um sie herum verändern, und können sich nicht erinnern, ihr Einverständnis erklärt zu haben. Sie sehen das Auftreten einer neuen globalen Elite, die manchmal nach anderen Regeln zu spielen scheint und deren Leben von ihrer täglichen Existenz weit entfernt sind.” Bereits auf dem Parteitag im Birmingham hatte sich May gegen eine vermeintlich entwurzelte globale Elite gewandt. Wer sich für einen Weltbürger halte, sei in Wirklichkeit ein Staatsbürger von nirgendwo, sagte sie damals.Die Spannungen und Differenzen zwischen denen, die von der Globalisierung profitieren, und denen, die fürchten, auf der Strecke zu bleiben, seien durch das Wachstum der sozialen Medien noch stärker hervorgetreten, sagte May nun. “Wer sich weigert zu akzeptieren, dass bei der Globalisierung in ihrer derzeitigen Form zu viele Leute zurückgelassen wurden, legt nicht die Grundlage für ihr Wachstum, sondern für ihren Ruin”, sagte May. Wer nicht erkenne, dass der lange Zeit vorherrschende Liberalismus die Zustimmung vieler Menschen verloren habe, sei nicht dessen Verteidiger, sondern sein Feind. “Wer die sehr realen und tief empfundenen Sorgen der einfachen Menschen nicht ernst nimmt, ob nun hier oder im Ausland, verteidigt damit nicht seine Weltsicht, sondern er untergräbt sie.” Sie trete für eine Globalisierung ein, die allen zugutekomme, sagte May.