Portugal will keine neue Austerität

Centeno-Nachfolger Leao sieht Land für Krise gut gerüstet - Risiken im Tourismus und bei Staatsschulden

Portugal will keine neue Austerität

Die Konsolidierungsanstrengungen der letzten Jahre in Lissabon sind durch die Corona-Pandemie zunichte gemacht worden. Die sozialistische Minderheitsregierung von Costa will dennoch am bisherigen Kurs festhalten und lehnt eine Rückkehr zu harten Einschnitten wie unter dem Rettungsschirm ab.ths Madrid – Mário Centeno zählte in seiner Antrittsrede als neuer Gouverneur der portugiesischen Zentralbank am Montag seine Verdienste und Errungenschaften im akademischen, beruflichen und politischen Bereich auf, vielleicht um bestehende Zweifel an seiner Eignung für den Posten zu zerstreuen. “Im letzten Jahrzehnt hat Portugal einen tiefgreifenden wirtschaftlichen Wandel erfahren, bei dem ich nicht nur ein privilegierter Zeitzeuge, sondern ein einflussreicher Akteur war”, erklärte der frühere Finanzminister und Chef der Eurogruppe.Unter Centeno und der 2015 gewählten sozialistischen Minderheitsregierung schaffte das Land nach der schweren Krise von 2010 und dem folgenden internationalen Rettungsschirm einen viel beachteten Kurswechsel, der mehr Ausgaben mit gleichzeitiger Haushaltskonsolidierung verband. Im letzten Jahr stand erstmals seit Ende der Diktatur 1974 ein Haushaltsüberschuss zu Buche, nachdem das Defizit vor zehn Jahren noch 11 % des Bruttoinlandsproduktes betragen hatte.”Heute haben wir ein solideres Banksystem und strengere Regulierung”, erklärte Centenos Nachfolger Joao Leao. “Portugal ist heute besser für die Zukunft vorbereitet”, sagte der neue Finanzminister letzte Woche auf einer Veranstaltung zur Ernennung Centenos als Chef der Banco de Portugal. Als Staatssekretär gebührt ihm ein gehöriger Anteil am Wirtschaftsaufschwung. Doch die positive Entwicklung der letzten Jahre ist wie überall wegen der Pandemie jäh zu Ende. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen lag im Juni um 36 % höher als im Vorjahreszeitraum, wie das Arbeitsamt am Montag mitteilte. Die Arbeitslosenquote betrug im ersten Quartal gemäß dem Nationalen Statistikamt noch 6,7 %, sie wird aber nach Einschätzung aller Volkswirte im Jahresverlauf deutlich steigen. Tourismus wird zum ProblemDie Beratungsfirma EY ermittelte in einer ebenfalls am Montag veröffentlichten Studie, dass ein Fünftel der Investitionsprojekte mit ausländischem Kapital wegen Corona gefährdet sei. 2019 verzeichnete Portugal mit 158 Projekten, die gut 12 000 Jobs schaffen sollen, einen Rekord bei den internationalen Direktinvestitionen. Das Land konnte sich zuletzt als Standort für Technologie positionieren, aber auch die Ausrüstungsindustrie zog Kapital an. Der konjunkturelle Aufschwung der letzten Jahre hatte jedoch auch viel mit dem Boom im Tourismus zu tun. Portugal war auf einmal eines der begehrtesten Reiseziele Europas. Genau das könnte nun zum Problem werden. Die Europäische Kommission erwartet für dieses Jahr einen Rückgang des BIP von 9,8 %, deutlich über EU-Schnitt und über dem von der Regierung veranschlagten Minus von 6,9 %. Brüssel warnt vor den Risiken durch “den starken Einfluss des ausländischen Tourismus” aufgrund der Unsicherheiten wegen der Ausbreitung des Virus.Nachdem Portugal die Pandemie zunächst besser überstanden hatte als etwa der Nachbar Spanien, kam es zuletzt zu mehreren Infektionsherden, die die Regierung von Ministerpräsident António Costa dazu zwangen, in großen Teilen der Hauptstadt Lissabon wieder strenge Ausgangssperren zu verhängen.Anfang Juli hatte die Costa-Regierung ihre Prognose für das Defizit in diesem Jahr auf 7 % verschlechtert. Das hat Konsequenzen für die Staatsschulden. Trotz der Reduzierung der letzten Jahre sind die Verbindlichkeiten weiterhin auf einem riskant hohen Niveau von 117 %. Die großen Ratingagenturen halten derzeit noch am Investment Grade für portugiesische Anleihen fest, doch einige stuften die Aussicht von positiv auf stabil herunter. Kürzungen befürchtetCosta will an der erfolgreichen Wirtschaftspolitik Centenos, die ihm im Herbst eine zweite Amtszeit beschert hatte, festhalten. “Es ist jetzt nicht der Moment für Austerität”, erklärte der Regierungschef Anfang Juli. Portugal hofft natürlich auch auf einen erheblichen Beitrag aus dem europäischen Hilfsfonds.Einer Umfrage vom Montag zufolge befürchtet eine Mehrheit der Bürger dennoch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen. Das wollen die bisherigen Partner der sozialistischen Minderheitsregierung, die Kommunisten und der Linke Block, verhindern. Doch Costa hat nun mehr politischen Spielraum, da die konservative PSD während der Pandemie konstruktiver geworden ist und die Regierung in vielen Dingen, wie dem Nachtragshaushalt, unterstützt. In den Umfragen konnten Costas Sozialisten zuletzt sogar auf über 40 % zulegen.