ZUM JAHRESGUTACHTEN DER WIRTSCHAFTSWEISEN

Potenzialwachstum mit Reformen stützen

Mehrbelastungen bei der kalten Progression zurückgeben - Gegen Abschaffung der Abgeltungsteuer

Potenzialwachstum mit Reformen stützen

ba Frankfurt – Der Sachverständigenrat hat der neuen Bundesregierung in seinem Jahresgutachten 2017/2018 gleich ein ganzes Bündel an Empfehlungen mitgegeben. Kernpunkt der Forderungen in dem 458 Seiten starken Werk ist die Neujustierung der Wirtschaftspolitik (vgl. BZ vom 8. November). Im Mittelpunkt sollten die Herausforderungen der Zukunft stehen, “die sich aus Globalisierung, demografischem Wandel und Digitalisierung ergeben” – und nicht wie zuletzt der Verteilungsdiskurs. Bei der Übergabe des Jahresgutachtens durch die fünf Wirtschaftsweisen in Berlin sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass Strukturreformen nicht so einfach seien, da gerade in guten Zeiten der Wunsch nach Verteilung dominiere. “Hier die richtige Balance zu finden, das ist unsere Aufgabe”, ergänzte Merkel laut Nachrichtenagentur Reuters mit Blick auf die Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen.Auch wenn der Gesamtstaat (Bund, Länder und Gemeinden) im laufenden Jahr mit 31,3 Mrd. Euro den höchsten Überschuss seit der Wiedervereinigung erzielen werde, seien die tatsächlichen Spielräume für die Politiker, um Wahlversprechen einzulösen, wesentlich geringer. “Die gute Finanzlage dürfte nicht von Dauer sein”, warnen die Wirtschaftsweisen. Der fiskalische Spielraum solle “allenfalls genutzt werden, Reformen umzusetzen, die das Potenzialwachstum der deutschen Wirtschaft steigern können”. Dazu gehörten ein wachstumsfreundliches Steuersystem und eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, etwa der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. So empfehlen sie, die Mehrbelastungen bei der kalten Progression der Einkommensteuer zurückzugeben. Bereits bei einem zu versteuernden Einkommen von 54 058 Euro greife die obere Proportionalzone der Einkommensteuer (im Grundtarif) mit einem Grenzsteuersatz von 42 % (siehe Grafik). Insgesamt lässt sich laut Gutachten eine Entlastung von gut 30 Mrd. Euro begründen, ohne dass im Gegenzug der Spitzensteuersatz angehoben werden müsste. Dies müsse mit einer Abschaffung des Solidaritätszuschlages abgestimmt werden – zumal dieser mit Ende des Solidarpaktes II im Jahr 2019 verfassungswidrig zu werden droht.Außerdem sprechen sich die Wirtschaftsweisen gegen eine Abschaffung der Abgeltungsteuer aus. Die Abgeltungsteuer verliere ihre Daseinsberechtigung selbst bei einem Funktionieren des internationalen Datenaustauschs nicht – ihr Manko besteht laut Gutachten darin, dass sie in ihrer jetzigen Ausgestaltung die Finanzierungsneutralität der Unternehmensbesteuerung nicht erreicht. Diese ließe sich durch eine Zinsbereinigung des Grundkapitals sicherstellen, was derzeit mit nur geringen Mindereinnahmen verbunden wäre. Dadurch würden auch die steuerlichen Anreize für Investitionen gestärkt. Ebenfalls sollte nach Ansicht der Wirtschaftsweisen eine Erhöhung vermögensbezogener Steuern oder die Einführung von Baukindergeld unterlassen werden.