Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen

Potenzialwachstum so schwach wie nie

Deutschland hat ein Wachstumsproblem wegen der demografischen Alterung. Um wieder auf die Spur zu kommen, empfehlen die Wirtschaftsweisen Investitionen, Innovationen und bessere Erwerbsanreize.

Potenzialwachstum so schwach wie nie

Potenzialwachstum schwach wie nie

ba Frankfurt

Mittelfristig ist es um das Wachstum Deutschlands schlecht bestellt. Setzen sich die aktuellen Dynamiken fort, wird das Produktionspotenzial bis zum Jahr 2028 jährlich nur noch um durchschnittlich 0,4% wachsen. Das ist ein historischer Tiefstand und nur noch etwa ein Drittel der Wachstumsraten der 2010er Jahre, warnt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (kurz: Sachverständigenrat Wirtschaft) in seinem Jahresgutachten 2023/2024.

Verjüngungskur

Ursächlich sei vor allem das wegen der demografischen Alterung sinkende Arbeitsvolumen. Zugleich blieben das Produktivitätswachstum sowie Wachstum und Modernitätsgrad des Kapitalstocks im Vergleich zu anderen europäischen Ländern seit Jahrzehnten rückläufig. "Deutschland droht somit eine Alterung nicht nur seiner Bevölkerung, sondern auch seiner industriellen Basis", schreiben die sogenannten Wirtschaftsweisen. Um das Wachstumspotenzial zu stärken, müsse beiden Entwicklungen entgegengewirkt werden – durch verbesserte Erwerbsanreize, Reformen der Zuwanderungspolitik sowie Innovations- und Investitionstätigkeit.

Zuwanderung allein reicht nicht

„Die Politik muss geeignete Rahmenbedingungen schaffen, um die Reallokation von Kapital und Arbeitskräften zu ihrem produktivsten Einsatzort zu fördern und so den Strukturwandel zu unterstützen", erklärte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Es werde nicht ausreichen, nur das Arbeitsvolumen etwa durch qualifizierte Zuwanderung oder eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen. "Nur durch kräftige Investitionen kann das Produktionspotenzial gesteigert werden.“

Die Investitionsquoten seien derzeit aber in allen Wirtschaftszweigen rückläufig. Um Investitionen hierzulande attraktiver zu machen, empfehlen die Wirtschaftsweisen, die Digital- und Energieinfrastruktur kräftig auszubauen und die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Steuerliche Anreize könnten etwa im Kontext der CO2-Bepreisung Investitionen begünstigen. Bei ausländischen Direktinvestitionen regt der Sachverständigenrat eine stärkere Diversifikation an, um die Vorteile der Globalisierung effizient zu nutzen und zugleich die Widerstandsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft gegenüber geopolitischen Veränderungen zu erhöhen.

Maschine statt Mensch

Das sinkende Arbeitsvolumen könnte durch Investitionen in Kapitalgüter wie Maschinen und Werkzeuge, Software oder Robotisierungs- und Automatisierungssysteme kompensiert werden, die den technologischen Fortschritt beschleunigen. Künstliche Intelligenz (KI) wiederum könnte als Querschnittstechnologie das Produktivitätswachstum in der Breite der Volkswirtschaft erhöhen. Dazu müsste aber die KI-Forschung gestärkt werden, und entsprechende Anwendungen müssten entwickelt und nutzbar gemacht werden. Mittel- bis langfristig verspricht sich der Sachverständigenrat Wirtschaft auch starke Impulse von einer besseren Schulbildung und einer Stärkung der Universitäten sowie der außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

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